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Bernhard Hampp

Schwaben erlesen!

Württemberg für Literaturfreunde und Bibliophile

Inhalt

Impressum

Stuttgart und der Westen

1  Moderner Büchertempel

Stadtbibliothek in Stuttgart

2  Das Wahre ist das Ganze

Hegelhaus in Stuttgart

3  Werkstatt für Schreiber

Stuttgarter Schriftstellerhaus

4  Für nimmersatte Bücherwürmer

Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart

5  Lektüre genießen

Literaturhaus Stuttgart

6  Reise durch das Buch der Bücher

Das Bibelmuseum Bibliorama in Stuttgart

7  Dichter beieinander

Hoppenlau-Friedhof in Stuttgart

8  Schätze entdecken

Stuttgarter Antiquariatsmesse

9  Der Schwabe mit der spitzen Feder

Thaddäus Troll im Stadtmuseum Bad Cannstatt

10  Hexen, Planeten und der dunkle Grund

Schelling und Kepler im Stadtmuseum Leonberg

11  Jugendträume

Hermann-Hesse-Museum in Calw

12  Verfluchte Mauern der Gelehrsamkeit

Kloster Maulbronn

13  Der Zauberschrank des Magiers

Faust-Museum in Knittlingen

14  Grenzgänge

Deutsch-Schweizer Autorentreffen im Rathaus Rottweil

Tübingen und der Süden

15  Vom Neckar in die Welt geworfen

Friedrich Hölderlin im Stadtmuseum Nürtingen

16  Des einsamen Dichters Zuflucht

Hölderlinturm in Tübingen

17  Württembergs Gelehrtenschmiede

Eberhard-Karls-Universität Tübingen

18  Wo Hesse ins Innere der Bücher drang

Antiquariat Heckenhauer in Tübingen

19  Lesen, Treffen, Informieren

Frauenbuchladen Thalestris in Tübingen

10  Affenkapelle und Wurzelkinder

J.-F.-Schreiber-Museum in Esslingen

21  Der Minnesänger und sein Mädle

Gottfried von Neuffen im Stadtmuseum Neuffen

22  Der Dichter auf der blauen Mauer

Mörikehaus in Ochsenwang

23  Odysseus von der Alb

Gustav-Schwab-Museum in Gomaringen

24  Hauffs Märchenreich

Schloss Lichtenstein

25  Der Verleger und Celans Sprachgitter

Neske-Bibliothek in Pfullingen

26  Künstler, Krieger, Käfersammler

Jünger-Haus in Wilflingen

27  Schlesien im Allgäu

Eichendorff- und Freytag-Museum in Wangen

28  Keine Luftnummer

Zeppelin-Museum in Friedrichshafen

Ulm und der Osten

29  Das Genie und seine Erben

Einsteinhaus in Ulm

30  Der entlarvte Hochstapler

Kloster Wiblingen in Ulm

31  Musentempel in Oberschwaben

Schloss Warthausen

32  Klassikers Refugium

Wieland-Gartenhaus in Biberach

33  Schubart und die schöne Lau

Kloster Blaubeuren

34  Kathedrale der Weisheit

Kloster Schussenried

35  Baron und Stromlinienpionier

Schloss Fachsenfeld

36  Mönche auf dem kargen Feld

Klostermuseum und Bibliothek der Abtei Neresheim

37  Der Liedermacher

Silcher-Museum in Schnait

38  Schmökern in engen Gassen

Buchmarkt in Waiblingen

Heilbronn und der Norden

39  Wo das Käthchen aus dem Fenster sprang

Kleist-Archiv Sembdner in Heilbronn

40  Poet und Parapsychologe

Kernerhaus in Weinsberg

41  Der Abt und seine Knittelverse

Kloster Schöntal

42  Die eiserne Hand

Burg Jagsthausen

43  Ein Friedhof für das Wort

Ehemalige Synagoge Michelbach

44  Der Gutenberg von Hachtel

Ottmar-Mergenthaler-Gedenkstätte in Hachtel

45  Mörike und die Kreuzritter

Deutschordensmuseum in Bad Mergentheim

46  Leseschnäppchen in der Altstadt

Büchermarkt in Kirchberg an der Jagst

47  Wörter im Untergrund

Deutsches Literaturarchiv in Marbach

48  Kafkas Gabel

Literaturmuseum der Moderne in Marbach

49  Klassikers Selbstvermarktung

Schiller-Nationalmuseum in Marbach

50  Ein Zimmer für die Familie

Schillers Geburtshaus in Marbach

51  Schmökern in der gotischen Kapelle

Buchhandlung Taube in Marbach

52  Das freie Wort in Ketten

Museum Hohenasperg

53  Deutschlands erste Bestsellerautorin

»Museum Sophie La Roche« in Bönnigheim

54  Reisender, Schriftsteller, Präsident

Theodor-Heuss-Museum in Brackenheim

55  Bücherstube XXL

Antiquariatsmesse Antiquaria in Ludwigsburg

Adressen

Karten

Stuttgart und der Westen

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Schellinghaus in Leonberg

1  Moderner Büchertempel

Stadtbibliothek in Stuttgart

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Nachts ein blau erleuchteter Würfel im Europaviertel, tagsüber ein lebendiger Lesetreffpunkt: Die 2001 eröffnete Stuttgarter Stadtbibliothek am Mailänder Platz ist eine Sehenswürdigkeit – innen wie außen. Entworfen vom koreanischen Architekten Eun Young Yi, wird das kubische Gebäude von der Farbe Weiß dominiert. Sie lässt die Fassade ebenso wie den leeren kathedralenartigen Raum erstrahlen, der sich hinter dem Eingangsbereich öffnet. Dieser stille Saal hat keine Bibliotheksfunktion, bildet aber das Herzstück des Baus. Wer einige Stockwerke höher steigt oder mit dem Aufzug fährt, gelangt in den fünfstöckigen Galeriesaal mit einer beeindruckenden Fülle an Büchern. Die bunt bestückten Regale auf den Galerien bilden einen Teil der Architektur, die allein schon einen Besuch wert ist. Ebenso wie die imposante Sammlung.

Auf 11.500 Quadratmetern warten mehr als eine halbe Million Medien auf die Nutzer, darunter Romane in 25 Sprachen und mehr als 10.000 Trickfilme. Wer sein Zuhause mit einer Originalgrafik schmücken möchte, kann eine von 2.000 in der Graphothek für acht Wochen leihen. Bis zu sechsmal darf die Ausleihe verlängert werden. Außerdem beheimatet der Bau die größte Musiksammlung Baden-Württembergs mit Noten, CDs und DVDs. Wer zeitgenössische Literatur aus Stuttgart und Umgebung sucht, wird im regionalen Themenbereich fündig. Große Bestände sind den Stuttgarter Philosophen Max Horkheimer (1895–1973) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) gewidmet. Die Kinderbibliothek ist in Themeninseln aufgeteilt. Kleine Zimmer bieten Unterschlupf und machen Lesen zum Abenteuer. Literatur für Jugendliche hält die Junge Bibliothek parat. Darüber hinaus erhalten Studierende und andere Nutzer eine Einführung zum Umgang mit Katalog, Ausleihe und Bestellung.

Wer in den ruhigen Räumen gearbeitet hat, verdient sich eine Pause im Café in der obersten Etage. Dort erreichen Besucher auch die Dachterrasse mit einer der schönsten Aussichten auf Stuttgart. Wer möchte, kann den modernen Büchertempel, der 2013 als »Bibliothek des Jahres« ausgezeichnet wurde, von zu Hause aus erkunden –  per Videotour auf dem Smartphone.

 

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2  Das Wahre ist das Ganze

Hegelhaus in Stuttgart

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel war kein großer Redner. Hielt der Professor Vorlesungen über Logik, Natur, Sittlichkeit, Staat oder Recht, so klang das hölzern und spröde. Der gebürtige Stuttgarter pflegte breitestes Schwäbisch, sprach monoton, hustete, räusperte und verhaspelte sich fortwährend. Dennoch verehrten ihn seine Hörer wie einen Heiligen. Hegels Auftritte waren in Berlin das gesellschaftliche Ereignis schlechthin. Das lag an der Schärfe und Unerhörtheit seiner Gedanken. Als einer der letzten Philosophen entwarf er ein einheitliches, allumfassendes System. Das Werden und der Widerspruch als fruchtbarer Impuls standen im Zentrum seiner Überlegungen.

Einen Einblick in Hegels Welt gewährt das Haus in der Stuttgarter Eberhardstraße 53. In diesem Gebäude kam der Denker am 27. August des Jahres 1770 auf die Welt – damals lautete die Adresse noch »Auf dem Graben«. Später kaufte sein Vater ein Heim für die Familie in der Röderschen Gasse, heute die Lange Straße 7. Das Erdgeschoss von Hegels Geburtshaus lädt ein, das Stuttgart des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu erkunden. Filigrane Schattenbilder der berühmten lokalen Scherenschnittkünstlerin Luise Duttenhofer (1776–1829) lassen Schriftstellerpersönlichkeiten wie Ludwig Tieck (1773–1853), Therese Huber (1764–1829) und Jean Paul (1763–1825) – samt seinem Pudel Ponto – lebendig werden. Alte Stadtansichten und ein Stuttgart-Lexikon stellen den einstigen Weingärtner- und Handwerkerort mit seinen gerade einmal 15.000 Einwohnern vor.

Handschriften, Dokumente, Briefe und Ausgaben von Hegels bahnbrechenden Werken wie Phänomenologie des Geistes, Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse sind zudem im ersten Obergeschoss zu bewundern. Eine von Ludwig Wichmann (1788–1859) geschaffene Büste steht vor einer Wand, die mit prägnanten Hegel-Zitaten beschriftet ist: »Das Wahre ist das Ganze.« – »Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit.« – »Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.« Dieser Raum ist Startpunkt für einen Streifzug durch das Leben des Philosophen anhand von Dokumenten und Erinnerungsstücken.

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Schriften Georg Wilhelm Friedrich Hegels im Museum

Anders als viele seiner Weggefährten besuchte Hegel keine Klosterschule, sondern das Stuttgarter Gymnasium illustre, das heutige Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, um sich auf das Studium am Tübinger Evangelischen Stift vorzubereiten. Dort freundete sich der Stipendiat mit Friedrich Hölderlin (1770–1843) und dem fünf Jahre jüngeren Friedrich Schelling (1775–1854) an, die mit ihm das Zimmer teilten. Hegel durchlief wie alle »Stiftler« zunächst ein Studium in Philosophie, Geschichte und anderen allgemeinbildenden Fächern, ehe er Unterricht in Theologie und Predigen erhielt.

Nach einer ersten Anstellung in Bern 1793 vermittelte ihm Hölderlin einen Hauslehrerposten beim Frankfurter Weinhändler Johann Noe Gogel (1715–1781). Die Unterhaltungen mit seinem Freund Hölderlin inspirierten Hegel, die Idee vom erfüllten Leben und der vereinigenden Liebe in den Mittelpunkt seiner Religionsphilosophie zu stellen. Die Liebe in ihrem Dualismus von Geben und Empfangen sollte einer der bestimmenden Gedanken im Werk des Philosophen werden.

Als Hochschullehrer in Jena erfreute sich Hegel ab 1801 zwar der wohlwollenden Unterstützung Johann Wolfgang Goethes (1749–1832), doch das Einkommen war mager und das Geld knapp. Gemeinsam mit Schelling gab er die Zeitschrift Kritisches Journal der Philosophie heraus. In Jena kam auch Hegels erster Sohn Georg Ludwig Friedrich zur Welt. Er war das uneheliche Kind seiner Hauswirtin.

Zwei Jahren als Zeitungsredakteur in Bamberg, die Hegel Konflikte mit der Zensur und wenig Freude bescherten, folgte 1808 eine Anstellung als Rektor am Nürnberger Gymnasium. In der fränkischen Stadt heiratete er die 20 Jahre jüngere Patriziertochter Marie von Tucher. In Heidelberg ging Hegels Wunsch nach einer Universitätsprofessur 1816 endlich in Erfüllung. 1818 folgte er dem Ruf an die Berliner Universität, deren Rektor er 1828 wurde.

Das neue, fortschrittliche Preußen Wilhelm von Humboldts (1767–1835) war ganz nach dem Geschmack des Denkers. Seine 1821 veröffentlichten Grundlinien der Philosophie des Rechts – Hegel skizzierte in diesem Werk den Staat als Verwirklichung der Sittlichkeit – tragen diesem Geist Rechnung. In Berlin blühte der Schwabe auf, besuchte Theater und Oper, spielte Karten mit Freunden und verkehrte in jüdischen Gelehrtensalons. Das Barett, das er nicht nur während seiner Vorlesungen gerne trug, ist ein oft fotografiertes Ausstellungsstück im Hegelhaus. Gleich dahinter hängt eine Lithographie des Zeitgenossen Julius Ludwig Sebbers (1804–1837) an der Wand: Sie zeigt den Professor im Schlafrock, das Barett auf dem Kopf.

Hegel starb 1831 an Cholera und wurde auf dem Dorotheenstädter Friedhof in Berlin beigesetzt. Nach seinem Tod wirkte Hegel nach, wurde in zahllose Sprachen übersetzt, verehrt und verflucht, hatte großen Einfluss auf das philosophische und politische Denken – nicht zuletzt auf kommunistische Theoretiker wie Karl Marx (1818–1883) und Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924). Eine Schauwand im Hegelhaus zeigt Zitate von anderen Geistesgrößen wie John Stuart Mill (1806–1873) und Leo Tolstoi (1828–1910), die Hegels Bedeutung würdigen. Sein Geburtshaus ist heute zudem Veranstaltungsort für Seminare über seine Philosophie, Vorträge zu philosophischen Themen und die Lesereihe Literatur im Hegel-Haus, die Klassiker der Literaturgeschichte vorstellt.

 

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3  Werkstatt für Schreiber

Stuttgarter Schriftstellerhaus

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Im urigen Stuttgarter Bohnenviertel reihen sich Antiquitätengeschäfte an Cafés und Kunsthandwerkerläden. Krimifans kennen den Stadtteil aus Wolfgang Schorlaus Romanen um den Privatdetektiv Georg Dengler, dessen Stammkneipe sich hier befindet. Mitten im Viertel steht ein unscheinbares schmales Gebäude, hinter dessen Fassade sich Bedeutendes abspielt: das Schriftstellerhaus.

Zu verdanken hat Stuttgart diesen lebendigen Treffpunkt für Autorinnen und Autoren dem Lyriker Johannes Poethen (1928–2001) sowie dem Architekten Johannes Wetzel (*1963). Sie bewahrten das baufällige Häuschen aus dem 17. Jahrhundert Anfang der 80er-Jahre vor dem Abriss. Seit der Eröffnung 1983 locken Lesungen, Tagungen und Schreibwerkstätten in die Kanalstraße 4. Betreiber ist der Verein Stuttgarter Schriftstellerhaus. »Es ist ein Arbeitsort, an dem etwas entsteht«, sagt Geschäftsführerin Astrid Braun. Raum für kreatives Schaffen, aber auch zum Wohnen bietet die Einrichtung jährlich drei bis vier Stipendiaten. Sie dürfen für drei Monate das Appartement im dritten Stock beziehen. Seit 1984 waren bereits rund 80 Autoren und Übersetzer aus Deutschland und dem Ausland zu Gast. Darunter bekannte Namen wie Robert Seethaler, José F. A. Oliver, Matthias Politycki und Jutta Richter. Zwei weitere Gästezimmer werden vornehmlich an Künstler vermietet.

Unter Federführung des Schriftstellerhauses läuft die Aktion Stuttgart liest ein Buch, die 2012 mit Margriet de Moors Roman Sturmflut startete. Grundgedanke des Projekts ist, möglichst viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter dazu zu bewegen, das gleiche Buch zu lesen. Diskussionen, Ausstellungen, Lesungen, Seminare, szenische Vorträge und Poetry Slams überall in der Stadt beschäftigen sich dann zwei Wochen lang mit diesem Werk. 2015 wurde die Aktion mit Judith Schalanskys Bildungsroman Der Hals der Giraffe fortgesetzt, 2017 folgte die Familiensaga Nachts ist es leise in Teheran von Shida Bazyar. Mit der Reihe Literatur im Salon bringt das Schriftstellerhaus zudem Autorenlesungen in Stuttgarter Privathäuser.

 

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4  Für nimmersatte Bücherwürmer

Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart

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Kinder lieben die Geschichte von der kleinen Raupe Nimmersatt, die sich durch Erdbeeren, Käse und Torten mampft, bis sie Bauchschmerzen plagen. Ihr Schöpfer Eric Carle (*1929) ist US-Amerikaner und Stuttgarter zugleich. Von 1935 bis 1952 lebte der Illustrator und Kinderbuchautor in der Landeshauptstadt, ehe er als 23-Jähriger in die Staaten zurückkehrte. Die Württembergische Landesbibliothek besitzt deshalb eine Eric Carle Collection mit Publikationen, Postkarten und Souvenirs – anschauen erlaubt!

Wie die Raupe durch Leckereien können sich Bücherwürmer in Baden-Württembergs größter wissenschaftlicher Bibliothek durch Lesestoff fressen. Mehr als sechs Millionen Medien befinden sich in den Magazinen und öffentlichen Lesesälen, darunter mehr als vier Millionen Bücher, zudem Zeitungen, Zeitschriften, Landkarten und Noten, 15.500 wertvolle Handschriften sowie 20.000 Bibeln in mehr als 600 Sprachen und Dialekten. Schätze wie das Lorcher Chorbuch von 1511 können Inte-ressierte regelmäßig in Ausstellungen, aber auch zu Hause online als digitale Fotografien bewundern.

Bereits 1765 hatte Herzog Carl Eugen (1728–1793) die Sammlung in Ludwigsburg gegründet, 1777 wurde sie nach Stuttgart verlegt. Werke aus Klosterbibliotheken, die 1803 im Zuge der Säkularisation ausgeräumt wurden, fanden ebenso eine Heimat wie 1918 die Hofbibliothek König Friedrichs I. (1657–1713). Im Zweiten Weltkrieg vernichteten Bomben mehr als eine halbe Million Bände. Seitdem jedoch wächst der Bestand unaufhörlich.

1970 zog die Landesbibliothek in einen Flachbau in der Konrad-Adenauer-Straße, der seither stetig erweitert wird. Die Verlage geben von jedem Buch, das in Baden-Württemberg erscheint, ein Pflichtexemplar ab. Die integrierte Bibliothek der Zeitgeschichte ist des Weiteren die größte deutsche Spezialsammlung über das politische Geschehen nach 1914, während die Archive zu Friedrich Hölderlin (1770–1843) und Stefan George (1868–1933) als erste Anlaufstellen für Literaturforscher gelten.

 

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5  Lektüre genießen

Literaturhaus Stuttgart

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Veranstaltungen wie der Sommermarkt Wetterleuchten locken Bücherfreunde ins Literaturhaus Stuttgart

Heute Abend noch nichts vor? Dann ab ins Literaturhaus Stuttgart! Kaum eine Woche vergeht, in der Bücherfreunde in der Breitscheidstraße nicht mehrfach auf ihre Kosten kommen. Angesagte Autoren wie Orhan Pamuk, Sybille Lewitscharoff, Felicitas Hoppe oder Heinrich Steinfest lesen aus ihren Werken, Radioredakteure führen in die Kunst des Essays ein, Gesprächsrunden gehen aktuellen und zeitlosen Themen auf den Grund, Literaturfans strömen zu Lyriknächten und Vorträgen.

2001 öffnete das Literaturhaus mit einer Rede des Schriftstellers W. G. Sebald (1944–2001) seine Pforten. Vis-à-vis des Kulturzentrums Liederhalle steht es auf geschichtsträchtigem Boden. An dieser Stelle stand zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Ensemble von Produktions- und Verwaltungsgebäuden der Firma Bosch. Ein historischer Paternoster und ein Atrium erinnern an diese Zeit. Im Eckzimmer im ersten Stock arbeitete einst Patriarch Robert Bosch (1861–1924).

Heute tragen die Stadt Stuttgart, Vereinsmitglieder und ein Freundeskreis die Institution mit ihrem vielfältigen Angebot von Schreibwerkstätten bis zu Ausstellungen für alle Altersgruppen. An junge Lese- und Schreibbegeisterte wendet sich das Veranstaltungsprogramm U35. Einen Schwerpunkt bildet das Thema »Comic und Literatur«. Das Festival des digitalen Schreibens, Literatur im Strom, setzt zusätzliche Akzente ebenso wie die deutsch-türkische Literaturnacht Literatür. Zum quirligen Treffpunkt wird das gesamte Haus einmal im Jahr beim Sommermarkt Wetterleuchten: Unabhängige Verlage präsentieren Neuerscheinungen, Autoren lesen aus ihren Werken, Buchbinder vermitteln ihr Handwerk, Kinder dürfen Daumenkinos basteln.

Veranstaltungen bietet die Einrichtung auch an anderen Orten an, etwa im Schauspielhaus oder in Kinos, während das Literaturhaus für Konferenzen und Tagungen genutzt werden kann. Zum Verweilen lockt das Restaurantcafé im Erdgeschoss mit italienischer Küche. Wer das geschriebene Wort jedoch mitheimnehmen möchte, kann sich im hauseigenen Buchladen mit Lektüre eindecken.

 

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6  Reise durch das Buch der Bücher

Das Bibelmuseum Bibliorama in Stuttgart

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Das Buch der Bücher zum Erleben. Im modernen Bibelmuseum Bibliorama im Stuttgarter Hospitalhofviertel spürt der Besucher der Geschichte des meistgedruckten, meistgelesenen und einflussreichsten Werkes weltweit nach. Die Evangelische Württembergische Landeskirche eröffnete die Ausstellung 2015 in Zusammenarbeit mit der Württembergischen Bibelgesellschaft.

Stuttgart ist Bibelstadt: 1812 gründete sich am Neckar die Privilegierte Württembergische Bibelanstalt, um die frohe Botschaft in aller Welt zu verbreiten. Im Bibliorama veranschaulicht ein Zeitstrahl an einer Wand im Eingangsbereich die 3.000 Jahre Entstehung, Überlieferung und Ausbreitung der Heiligen Schrift. Die Vitrinen darunter enthalten kostbare Bände aus dem 15. und 16. Jahrhundert wie die deutschsprachige Zainer-Bibel aus dem Jahr 1475.

Exotisch hingegen ist das Exemplar in der südindischen Sprache Kanaresisch, Ehrfurcht gebietend das Faksimile einer farbenprächtigen Bibelhandschrift, entstanden in den Schreibstuben der Mönche. Nicht fehlen darf ein Nachdruck der 42-zeiligen lateinischen Gutenberg-Bibel, von der weltweit noch 49 Exemplare existieren.

Vor allem ist das Bibliorama ein Museum zum Mitmachen, in dem Neugierige auf Entdeckungsreise gehen. Die Erklärungen in Alltagssprache orientieren sich an unserer heutigen Lebenswelt. Besucher begegnen Eva und Mose, Sarah und Paulus sowie weiteren Figuren aus dem Alten und Neuen Testament, die durch die Heilige Schrift führen.

In dem Abschnitt über den König David dürfen Jung und Alt auf einer Harfe aus Laserstrahlen spielen, am Ende des Rundgangs wartet die Offenbarung des Johannes als letztes Buch der Bibel in einem Garten unter freiem Himmel. Zudem treffen Besucher den Reformator Martin Luther (1483–1546), der verschmitzt von einem Bildschirm grinst und in einem virtuellen Gespräch verrät, dass wir seiner Bibelübersetzung Wörter wie »Feuertaufe« oder »Lockvogel« und Wendungen wie »Perlen vor die Säue« zu verdanken haben.

 

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7  Dichter beieinander

Hoppenlau-Friedhof in Stuttgart

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Der verwunschene Hoppenlau-Friedhof ist nicht nur eine Oase der Ruhe im Großstadtgetümmel, sondern auch ein Ort der toten Dichter. Im Dreißigjährigen Krieg angelegt, fanden innerhalb seiner Mauern bis 1880 bedeutende Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte. Pläne an den Eingängen erklären den Weg zu den Gräbern von Berühmtheiten wie dem Literaturkritiker Wolfgang Menzel (1798–1873), der die Deutschen als erster »Volk der Dichter und Denker« nannte. Eine gusseiserne Poetenlyra schmückt das Grab des Schriftstellers Wilhelm Hauff (1802–1827). Unter einer schmucklosen Steinplatte ist hingegen Christian Daniel Friedrich Schubart (1739–1791) beigesetzt, während ein monumentaler Grabstein Gustav Schwab (1792–1850) würdigt.

Wer über den Gottesacker schlendert, begegnet zudem Aufklärer Johann Gottfried Pahl (1768–1839), Bibliothekar Friedrich Haug (1761–1829) oder Mörike-Freund Ludwig Amandus Bauer (1803–1846). Die Stuttgarter Scherenschneiderin Luise Duttenhofer (1776–1829), deren Schattenbilder im Hegelhaus zu bewundern sind, liegt nicht weit von Friedrich Hölderlins Halbbruder Karl Gok (1776–1849), dem der Hyperion-Autor liebevoll verbunden war. Auch die Gräber von Friedrich Schellings Mutter Gottliebin Marie (1737–1812) sowie des Verlegers Johann Friedrich Steinkopf (1737–1825), der im 18. Jahrhundert das heute noch bestehende Antiquariat gründete, können Spaziergänger aufsuchen. Verschollen dagegen ist die letzte Ruhestätte des Klassikerverlegers Johann Friedrich Cotta (1764–1832). Ein abgetrenntes Areal war Toten jüdischen Glaubens vorbehalten. Männer dürfen diesen Bereich heute nur mit Kopfbedeckung betreten.

Friedrich Pfäfflin (*1935), früherer Leiter der Museumsabteilung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, verfasste mit seiner Frau Waltraud ein Buch über den Hoppenlau-Friedhof als literarisches Denkmal – neu aufgelegt 2015 vom Stuttgarter Starkoch und Hobbyverleger Vincent Klink. Und wer den Streifzug über den Friedhof als Literaturspaziergang für sich entdeckt, kann anschließend auf dem Pragfriedhof im Stuttgarter Norden die Schriftsteller Eduard Mörike (1804–1875) und Albrecht Goes (1908–2000) besuchen.

 

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8  Schätze entdecken

Stuttgarter Antiquariatsmesse

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Bestaunen kann man wertvolle Bücherschätze auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse