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Maria Störr

Hunde helfen heilen

Einsatzmöglichkeiten in
Physiotherapie, Ergotherapie und
Logopädie
KYNOS VERLAG

  

© 2011 KYNOS VERLAG Dr. Dieter Fleig GmbH
Konrad-Zuse-Straße 3
D-54552 Nerdlen/Daun
www.kynos-verlag.de

Bildnachweis: S.76: Störr, Maria; S.77 Abb.3: Störr, Maria; Abb.4: Schlorke, Thomas; S.78: Störr, Maria; S.79 Abb.7: Störr, Maria; S.80 Abb.9/10: Störr, Maria; S.80 Abb.11: Schlorke, Thomas; S.81-82: Klaxdorf, Ulla; S.82: Störr, Maria.

ebook-Ausgabe der Printversion (epub)

ISBN 978-3-942335-28-7

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Kynos Stiftung Hunde helfen Menschen.
www.kynos-stiftung.de

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Dr. med Volker Rust

Vorwort der Autorin

1. Der Therapiehund

1.1 Wie definiert die WHO den Begriff »Gesundheit«?

1.2 Was ist ein Therapiehund?

1.3 Wie kann der Therapiehund laut Definition der WHO helfen?

1.4 Wo und unter welchen Bedingungen hilft ein Therapiehund?

2. Therapiehunde in der Logopädie

2.1 Die Aufgaben der Logopädie

2.2 Die Aufgaben des Hundes in der Logopädie

2.3 Das Zusammenspiel Therapeut und Hund, konkrete Beispiele

3. Therapiehunde in der Ergotherapie

3.1 Die Aufgaben der Ergotherapie

3.2 Die Aufgaben des Hundes in der Ergotherapie

3.3 Das Zusammenspiel Therapeut und Hund, konkrete Beispiele

4. Therapiehunde in der Physiotherapie

4.1 Die Aufgaben der Physiotherapie

4.2 Die Aufgaben des Hundes in der Physiotherapie

4.3 Das Zusammenspiel Therapeut und Hund, konkrete Beispiele

5. Therapiehunde bei apallischem Syndrom, Phase F

5.1 Das apallische Syndrom, Phase F

5.2 Der Beispielpatient

5.3 Therapieberichte

5.4 Zusammenfassung der Arbeit des Hundes

6. Therapiehunde bei demenziell Erkrankten

6.1 Die Demenz

6.2 Der Beispielpatient

6.3 Therapieberichte

6.4 Zusammenfassung der Arbeit des Hundes

7. Therapiehunde bei frühkindlicher Hirnschädigung mit infantiler Epilepsie und daraus folgenden Entwicklungsstörungen

7.1 Die frühkindliche Hirnschädigung

7.2 Der Beispielpatient

7.3 Therapieberichte

7.4 Zusammenfassung der Arbeit des Hundes

8. Therapiehunde bei Apoplex

8.1 Der Schlaganfall

8.2 Der Beispielpatient

8.3 Therapieberichte

8.4 Zusammenfassung der Arbeit des Hundes

9. Qualitätsmanagement und Dokumentation

9.1 Qualitätsmanagement in der hundgestützten Therapie

9.2 Persönlicher Hintergrund

9.3 Dokumentationsvorlage

10. Spiegelbilder

11. Über die Autorin

12. Quellenangaben und Literaturhinweise

13. Index

Vorwort

Der Titel des Buches wirkt kurz, ist aber facettenreich und wirft sofort eine Frage auf – können Hunde an der Heilung von Patienten im medizinisch-humanistischen Sinne beteiligt sein? Die Autorin dieses Buches ver steht es in beispielhaft verständlicher Weise, ohne jeden Abstrich am fachlichen Fundament, diese Frage mit einem klaren »Ja« zu beantworten und den Leser als Sympathisanten bzw. Mitstreiter zu gewinnen.

Der Hund ist ein Begleiter des Menschen geworden, über dessen Bedeutung nichts ergänzt werden muss. Zwei Dinge sind unbedingt kritisch anzumerken: Der Hund ist kein Spielzeug und auch keine Sache. Letzteres ist im Rechtssystem noch so verankert, 1990 wur de zumindest das »Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im Bürgerlichen Recht« verabschiedet.

In der Geschichte nimmt der Hund als ältestes Haustier des Menschen wichtige Stellungen auch im religiösen und ritualen Bereich ein. So verliehen die Ägypter teilweise ihren Göttern ein hundähnliches Aussehen, was auf eine hohe Wertschätzung schließen lässt. Er wäh nung findet der Hund auch in Fabeln, Geschichten und anderen literarischen Dokumenten des Altertums. So wird Odysseus in der von Homer überlieferten Szene seiner Heimkehr nur von seinem Hund wiedererkannt. Dies spiegelt das innige und vertrauensvolle Verhältnis zwischen Mensch und Tier bereits in der Antikenwelt wider.

Unbestritten ist die große Bedeutung des Hundes als Helfer des Menschen in der heutigen Zeit. Hier seien nur die Blindenhunde und Fährtenhunde erwähnt. Der Mensch ist auf der Suche nach neuen und segensreichen Mög lichkeiten des Heilens weit vorangekommen. Er bedient sich dabei insbesondere technischer Möglichkeiten und aller Ressourcen der natürlichen Umwelt. Die Erkenntnisse über die Grundlagen unserer Lebenstruk turen ermöglichen der Pharmaindustrie zunehmend hochwirksame Me di kamente zu entwickeln. Überwiegend geht es bei all diesen Dingen um den somatisch-körperlichen Bereich des Heilens, im Bereich des psychischen Leidens besteht noch ein hoher Bedarf an wirksamen Heil methoden.

In unserer reizüberfluteten und schnelllebigen Welt besteht die Gefahr, dass unsere Gefühlswelt aus dem Gleichgewicht gerät und unsere emotionale Situation nicht mehr zu einem echten Wohlbefinden führt. Mit dieser Situation hat bereits der sich gesund fühlende Mensch teilweise Probleme, erst recht betrifft es den mit den Folgen einer Erkrankung konfrontierten Patienten. Schwerwiegende Erkrankungen bedingen immer auch seelisches Leid. Der Patient bedarf möglichst rasch psychischer Hilfe, um in seiner teilweise ausweglosen Situation Wohlbe finden erleben zu können. Hierbei kommt dem Tiertherapeuten mit seinem Therapiehund eine große Bedeutung zu. Der Therapiehund schafft es als Co-Therapeut beispielsweise, Patienten mit Demenz aus der Teil nahmslosigkeit für kurze Zeit ins Leben zurückzuholen.

Die große Bedeutung der echten Teamarbeit zwischen Therapiehund und Therapiehundeführer (Therapeuten) wird von der Autorin sehr gut herausgearbeitet. Hier liegt ein grundsätzlicher Pfeiler für den Erfolg eines solchen Therapieangebotes – das Team Therapeut und Hund verschmilzt zu einer Einheit, die von dem hilfebedürftigen Patienten auch als solche wahr genommen wird. Bei der Lektüre dieses Buches ist eines sofort er kenn bar – hier äußert sich jemand, der aus der Praxis kommend etwas für die Praxis zu sagen hat. Als Tiertherapeut sollte man bereit sein, ein Stückchen Kompetenz an seinen Helfer abzugeben. Gleich zeitig hat man aber das Glück, gemeinsam mit seinem Helfer den Dank des Patienten zu erleben.

Dr. med Volker Rust
Ärztlicher Direktor des Fachklinikums Brandis,
FA für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin/Rehabilitationswesen,
Hyperbarmedizin, Taucherarzt

Vorwort der Autorin

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich freue mich sehr, dass Sie an dem sehr interessanten Thema der hundgestützten Therapie Interesse haben und hoffe, Ihnen mit dem vorliegenden Buch viele Fragen beantworten zu können und neue Denkansätze vermitteln zu können.

Zum Thema der hundgestützten Interventionen sind bisher einige Bücher erschienen, deshalb möchte ich Ihnen das besondere Anliegen dieses Buches erklären:

Zum einen werden in diesem Buch nur therapeutische Aspekte erläutert. Es geht weder um Interventionen, noch um Fördermaßnahmen, noch um Pädagogik. In diesem Buch werden die klinischen Bereiche der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie erläutert.

Zum anderen habe ich versucht, Ihnen anhand von realitätsbezogenen und wahrheitstreuen Therapieberichten bezüglich verschiedener Diagnosen und Hintergründe die Vorgehensweise der hundgestützten Therapie aufzuzeigen. Diese Aufzeichnungen sind sehr detailliert und geben Anweisungen und Erläuterungen, die den Therapieprozess ins Licht rücken.

Es ist allgemein bekannt, dass Hunde eine positive Wirkung auf die Gesundheit des Menschen haben. In diesem Buch werden Sie erfahren, wie genau die Therapien zu planen, durchzuführen und zu evaluieren sind. Der große Schatten um den Inhalt der hundgestützten Therapie, um die Frage »Wie hilft der Hund nun wirklich?« wird in diesem Buch geklärt.

Ich bitte Sie um Nachsicht, dass Sie im einleitenden Kapitel trotz allem nicht um theoretisches und allgemeines Wissen herumkommen. Beim auf merksamen Lesen wird Ihnen aber deutlich werden, in welch wichtiger Verbindung gerade die einfachsten Grundsätze der hundgestützten Therapie mit den kompliziertesten Therapieverfahren stehen.

Ich möchte Sie nun einladen, in das komplexe Thema des »Hunde helfen heilen« einzusteigen und ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen!

Maria Störr

1. Der Therapiehund

1.1 Wie definiert die WHO den Begriff »Gesundheit«?

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit der Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens.

Der Mensch wird somit als eine Einheit betrachtet, es existieren also gemäß WHO drei Aspekte des menschlichen Seins. An erster Stelle wird der Körper des Menschen in all seiner Anatomie betrachtet, an zweiter Stelle wird die Seele des Menschen, also seine geistige Gesundheit genannt und an dritter Stelle steht die soziale Komponente. Nur wenn ein Mensch ohne körperliche und seelische Leiden existiert und zur Krönung auch noch in einem angenehmen sozialen Umfeld lebt, ist er nach Definition der Weltgesundheitsorganisation wahrhaft gesund. Andreas Mielck (2005, S. 53) beschreibt sogar, dass privilegierte Schich ten in Deutschland eindeutig gesünder leben und eine längere Lebens erwartung haben als Menschen, die über geringere Bildung, Einkommen und Berufsstatus verfügen.

Ich habe diese Begriffsklärung aus zwei Gründen an erster Stelle aufgeführt. Zum einen regt sie zum Nachdenken an, denn wenn man sie sich vor Augen führt, sollte man meinen in seiner Umgebung keinen einzigen wirklich gesunden Menschen zu kennen, denn eines dieser drei Leiden hat fast jedes Lebewesen. Zum zweiten ist sie aber Grundlage für jede Arbeit mit einem Therapiehund und somit also auch Grundlage für dieses Buch.

Dafür gilt es aber noch zu klären, was denn nun eigentlich einen Thera pie hund ausmacht …

1.2 Was ist ein Therapiehund?

Ein Therapiehund ist ein speziell für die Arbeit mit in irgendeiner Weise eingeschränkten Menschen ausgebildeter Hund, der für den Therapeuten unterstützend wirkt, wobei die eigentliche Arbeit beim speziell ausgebildeten Therapeuten liegt. Wir können nicht erwarten, dass ein Hund alleine ohne fachmännischen Therapeuten Wunder wirkt! Der Einsatz des Tieres hat in diesem Fall eine begründete Therapieplanung und wird stets reflektiert und evaluiert.

Es ist dabei vollkommen unwichtig, welcher Rasse dieser Hund entstammt, welche Farbe er hat oder ob er groß oder klein ist. Diese Entscheidung, nämlich welchen Hund man bei welchem Patienten einsetzt, obliegt dem Therapeuten.

Ein Therapiehund kann ohne seinen Therapiehundeführer nicht arbeiten, beide sind ein eingespieltes Team, welches sich blind versteht und sich auch blind verstehen muss! Eine kleine Kopfbewegung nach links, ein scharfer Blick aus den Augen, ein kleines Schnalzen mit der Zunge und sofort muss der Hund verstehen, was denn dieses Herrchen jetzt schon wieder von ihm will. Nichts wäre schlimmer, als die Therapie unterbrechen zu müssen, nur weil Herrchen seinem Therapiehund lauthals zu verstehen gibt, was er tun soll und Hündchen auch beim dritten lautstarken Rufen noch nicht verstehen will, was Herrchen ihm da sagt.

Ein Hund muss zum Therapiehund geeignet sein. Diese Eignung kann nur ein Mensch mit großen Kenntnissen und einem reichen Erfahrungsschatz feststellen, denn dieser Mensch sieht auf den ersten Blick, ob der Hund sozial ist, ob er genügend Spieltrieb besitzt, ob er gerne das Rudel führen möchte oder sich auch unterordnen kann.

Die anschließende Ausbildung umfasst Verhaltenstests, Grundgehorsam und speziell auf den Therapeuten und sein Einsatzgebiet maßgeschneiderte Zusatzausbildungen. So ist es zum Beispiel oft nötig, dass der Hund am Rollstuhl hergeht, ruhig auf dem Schoß eines Patienten sitzt oder aber auch zu heftige Liebkosungen erträgt und vor allem auch ertragen muss. Über die Ausbildung des Therapiehundeteams wurde schon in anderer Fach literatur geschrieben, deshalb soll dieses Thema hier nur hinten angestellt sein.

Es sei davor gewarnt, einen noch nicht ausgebildeten Hund zur Therapie zu nutzen, denn egal ob jung oder alt, die zu therapierenden Patienten haben gewisse Handicaps, aus denen heraus sie auch unkontrolliert handeln und das muss ein Therapiehund ertragen können. Noch mehr, er wird sogar anschließend dazu animiert, sich erneut dem Menschen zuzuwenden, der ihm gerade Unbehagen bereitet hat!

Es sei ebenfalls davor gewarnt, einen noch nicht ausgebildeten Menschen zur Therapie zu nutzen! Ich möchte das an dieser Stelle so deutlich hervorheben, da es leider in der Vergangenheit genügend schwarze Schafe gegeben hat. Die Verantwortung gegenüber dem Patienten ist enorm groß, und egal ob Mensch oder Hund: Beide dürfen erst nach fundierter Ausbildung mit ihrer Arbeit beginnen.

Ich scheue mich in diesem Moment davor, eine allgemeingültige Definition des »Therapiehundes« zu geben, da meiner Meinung nach bisher noch keine gefunden wurde. Einige erfahrene Therapiehundeführer und Mitarbeiter angesehener Gesellschaften haben sich daran versucht, allerdings fehlen bisher gesetzliche Grundlagen und Rahmenbedingun gen, die erst noch erarbeitet werden müssten. Es darf nicht vergessen werden, dass eine Therapie der Behandlung von Krankheiten dient und nicht zu sehr in das Feld der Fördermaßnahmen oder der pädagogischen Maßnahmen hineinfallen sollte.

Ich persönlich würde sogar behaupten – um den Begriff und die Wichtigkeit der »Therapie« zu unterstützen – ein Therapiehund sei ein nichtme dikamentöses Heilmittel, also ein gesundheitsförderndes Mittel, welches durch einen Therapeuten persönlich erbracht wird und heilsame Wirkung auf den Erkrankten hat.

Nichtmedikamentöse Therapien wie die Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie werden als Heilmittel vom Arzt verschrieben, denn der gesetzlich Versicherte hat laut § 32 SGB V Anspruch darauf. Daneben haben sich im Laufe der letzten Jahre die Milieutherapie, die Biographiearbeit, die Validation sowie die Musik- und Kunsttherapie in den Mittelpunkt der Betrachtungen gesetzt (Vgl. Deutsches Grünes Kreuz), die – wie auch die tiergestützte Therapie – von den Krankenkassen leider noch nicht als Heilmittel anerkannt und zugelassen sind.

Betrachten wir das Beispiel Demenz, so wird die Aussage des Deutschen Grünen Kreuzes uns die Wichtigkeit der nichtmedikamentösen Therapien hervorragend verdeutlichen:

Medikamente allein sind bei vielen Erkrankungen nur ein Teil der möglichen Hilfe. Nichtmedikamentöse Therapien sollten hinzukommen und den Therapieverlauf unterstützen. Im Idealfall entsteht durch die unterschiedlichen an der Behandlung beteiligten Institutionen ein Therapie-Team. Hierbei steht der Patient mit seinen drei Aspekten des menschlichen Seins (Vgl. 1.1) im Zentrum (Deutsches Grünes Kreuz).

Also werden wir uns auf den folgenden Seiten mit unserem nichtmedikamentösen Heilmittel »Hund« näher beschäftigen und versuchen, uns dem oben genannten Therapie-Team anzuschließen.

1.3 Wie kann der Therapiehund laut Definition der WHO helfen?

Eingangs habe ich schon erwähnt, wie wichtig die Definition »Gesund heit« ist. Denn Therapiehunde sind in der Lage, auf alle drei Bereiche des menschlichen Seins positiv einzuwirken. Voraussetzungen für eine gelungene Hundetherapie sind natürlich ein positives Empfinden und eine Sympathie dem Hund gegenüber.

Die Hundetherapie basiert auf dem eigenen Willen des Erkrankten, es ist sein Wille, mit dem Hund zu arbeiten. Der Erkrankte tut es aus eigenem Antrieb und Interesse heraus, oft sogar, ohne sich des therapeutischen Nutzens bewusst zu sein und ohne Druck oder Zwang zu empfinden. Es ist sogar hilfreich, dem Patienten die Therapie eher als Besuch anzubieten, denn so bleibt die Freiwilligkeit und bessere Compliance erhalten.

Die physische Wirkung

Therapiehunde animieren zum Beispiel den Erkrankten, sich zu bewegen, indem er aus eigenem Interesse den Hund streicheln möchte, ihn auf seinen Schoß heben möchte, ihn füttert oder beabsichtigt, mit ihm spazieren zu gehen. Dabei werden körperliche Einschränkungen überwunden, Grob- und Feinmotorik werden weiterhin trainiert, Mobilisationen werden durchgeführt, Kontrakturen und Spastiken werden behandelt.

Durch das Berühren und Streicheln des Fells werden taktile Reize gesetzt, durch das Gewicht des Hundes auf dem Schoß werden Extero- und Enterozeptoren aktiviert, der Hund bietet einen tiefensensiblen Input mit optimaler Verbindung zwischen motorischer und sensorischer Defizit-behandlung.

Die Hunde können somit alternativ und unterstützend zu physiotherapeutischen, ergotherapeutischen oder logopädischen Maßnahmen eingesetzt werden (siehe vor allem Kapitel 9).

Das psychische Wohlbefinden

Durch die Ruhe der Hunde normalisieren sich Blutdruck und Herzfrequenz und bleiben über einen gewissen Zeitraum konstant. Der Oxytocinspiegel im menschlichen Blut erhöht sich schon beim Anblick und erst recht beim Streicheln eines Hundes. Die Frequenz der Gehirn wellen, die Frieden und Zufriedenheit ausstrahlen, erhöht sich. Hunde können Reak tionen aus emotional und kognitiv stark geschädigten Menschen hervorlocken, bei denen alle Bemühungen von Familienmit gliedern und Ärzten fehlgeschlagen sind, denn es fällt oft leichter, sich einem Tier anzuvertrauen. Der Mensch bekommt durch den Hund einen empathischen Zuhörer.

Das soziale Wohlbefinden

Die Hundetherapie kann in der Gruppe oder als Einzeltherapie stattfinden. Vor allem in der Gruppentherapie werden die Patienten dazu angeregt, Gefühle, Empfindungen und Meinungen auszutauschen. Die Kommunikation untereinander steigt, es entstehen angeregte Gespräche und Diskussionen, die häufig sogar flüssig und im Kontext geführt werden. Die Erkrankten verlassen ein Stück weit ihre eigene Welt und wenden sich der ihrer Mitbewohner zu. Es findet ein gemeinsames Erleben statt, über das sich die Teilnehmer auch zu einem späteren Zeitpunkt gerne austauschen …

1.4 Wo und unter welchen Bedingungen hilft ein Therapiehund?

Ein Therapiehund kann – wie folgend aufgeführt – in verschiedenen Institutionen eingesetzt werden. Um einen Überblick zu gewähren, sind hinter den Institutionen die häufigsten durch hundgestützte Therapien zu behandelnden Krankheiten aufgelistet.

  Senioren- und Pflegeheime (Demenz-Erkrankungen; Multiple Sklerose; Zustand nach Apoplex; Schizophrenie; körperliche Leiden infolge von altersbedingtem Abbau; Alkoholabusus)

  Rehabilitationskliniken (Adipositas; Zustand nach Apoplex; Hypoxische Hirnschädigung, zum Beispiel nach Ertrinkungsunfall; Near SIDS; neurologische Erkrankungen in großer Bandbreite; Schädigung infolge von traumatischen Ereignissen, zum Beispiel Polytrauma oder Amputationen; Schädelhirntrauma; Hirnblutung nichttraumatischer Ursache, u. a. Angiom, Aneurysma)

  Psychiatrien (Schizophrenie; Erkrankungen aller Art mit Weglauftendenzen; frühkindlicher Autismus und Asperger-Syndrom; stoffgebundene Missbrauchs- oder Abhängigkeitsverhalten; gerontopsychiatrische Erkrankungen)

  Heime für Menschen mit geistiger Behinderung (frühkindliche Hirnschädigung; Anfallsleiden; selbst- und fremdverletzendes Verhalten; Schwerst- und Mehrfachbehinderungen)

  Wohngemeinschaften für Menschen mit erworbener Hirnschädigung (Apallisches Syndrom; Hypoxische Hirnschädigung, zum Beispiel nach Ertrinkungsunfall; Zustand nach Apoplex)

  Privates und häusliches Umfeld (Apallisches Syndrom; Posttraumatisches Belastungssyndrom; Zustand nach Apoplex; frühkindliche Hirnschädigung; neurologische Erkrankungen in großer Bandbreite)

  Hospize und Kinderhospize (ganzheitliche Sterbe- und Trauerbegleitung unter dem Gesichtspunkt Palliative Care)

Therapeut und Therapiehund erbringen also ihre Leistungen vor Ort, direkt am Erkrankten. Dabei ist es wichtig, dass sich das Therapiehundeteam vor dem eigentlichen Beginn der Arbeit einen Überblick verschafft, damit die Therapie ohne Schwierigkeiten starten kann.