Heinz Kirchenmaier
Burg Falkenstein
AQUENSIS
BADEN ENTDECKEN
Der Autor:
Heinz Kirchenmaier wurde 1941 in Baden-Baden geboren und verbrachte Kindheit und Jugend im nahe gelegenen Murgtal. Schon früh interessierten ihn die Sagen seiner Schwarzwälder Heimat. Heute lebt er in Bad Herrenalb und hat endlich Zeit und Muße, sein großes Wissen und seine Lust am Fabulieren zu vereinen.
Heinz Kirchenmaier:
Burg Falkenstein / Eine sagenhafte Erzählung
aus der Welt der Grafen zu Eberstein
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Lektorat: Gereon Wiesehöfer
Satz, Gestaltung: Tania Stuchl, design@stuchl.de
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN 978-3-95457-133-8
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Heinz Kirchenmaier
Burg Falkenstein
Eine sagenhafte Erzählung
aus der Welt der Grafen zu Eberstein
AQUENSIS
BADEN ENTDECKEN
Cover
Titel
Der Autor
Impressum
Burg Falkenstein
Eine Burg zwischen Dichtung und Wahrheit
Der Knabe Bertram
Eine mittelalterliche Landschaft
Die sagenhafte Burg
Alltag auf Burg Falkenstein
Arbeit, Arbeit, Müh und Plag!
Gefahren überall
Bewährungsprobe
Alle Tag´, da ist kein Sonntag!
Ein neuer Knabe
Die alte Bärin
Feierliche Einladung
Bertrams Schwertleite
Ein Abschied mit Minne-Leid
Minne und Kampf
Klostergründung
Abschied von Burg Falkenstein
Abenteuerliches
Oh süße Minne
Auf zum Heerbann
Reinhilde kommt zurück …
… und wird verheiratet
Tragischer Abschied
Unwirtliche Zeiten
Der Wolf streift seinen Schafspelz ab
Auf Nimmer-Wiedersehn?
Ein Unglück kommt selten allein
Hoffen und Bangen
Kein schneller Entschluss – ein unheimlicher Zwang
Das Leben geht weiter
Stille Sehnsucht
Altes vergeht – Neues entsteht
An langen Winterabenden
Aus Geschichte und Geologie
Der Ritter auf Burg Falkenstein hatte ein wunderhübsches Töchterlein. Als er zu einem Kriegszug gerufen wurde, hatte er dieses einer Taglöhnerin anvertraut, denn sein Weib war lange schon gestorben. Die Taglöhnerin jedoch zog weg und ging zurück in ihr Heimatdorf. Dort wuchs des Ritters Töchterlein inmitten der Dorfgemeinschaft auf und verliebte sich schließlich in einen Bauernsohn. Nach Jahren kam der Ritter wieder zurück und ließ sein Töchterlein suchen. Ihr wurden in schillerndsten Farben die Annehmlichkeiten an der Seite eines hohen Prinzen geschildert. Dem konnte sie nicht widerstehen, verließ den geliebten Bauernsohn und folgte schweren Herzens dem Boten auf die heimatliche Burg Falkenstein.
Bald nach der Hochzeit auf Burg Falkenstein zeigte sich jedoch der wahre Charakter dieses Prinzen. Er war kaum zu Hause, weil er sich weitum auf vielen Turnieren und Jagden amüsierte. War er doch mal auf Falkenstein, so behandelte er sie grob und lieblos. Darob wurde sie immer trauriger und sehnte sich nach dem Bauernsohn. Dieser jedoch konnte ihr damaliges, treuloses Verhalten nicht verwinden und schloss sich alsbald einem Kriegszug an. Niemand wusste, wo er sein könnte und ob er überhaupt noch lebte.
Aus lauter Kummer und Herzschmerz stürzte sie sich schließlich von der obersten, über dem Abgund der Felsen sich befindenden Zinne der Burg in den Tod. Dieses wiederum nahm sich ihr Vater, der Ritter, so zu Herzen, dass er hinauszog, um in irgendeinem Kampf einen heldenhaften Tod zu finden. Die Burg verfiel alsbald. Nicht einmal Ruinen sind davon erhalten geblieben. Nur die Sage von der Burg Falkenstein hat alle Zeiten überdauert.
Nun also, liebe SAGEN-Begeisterte, möchte ich Ihnen berichten, wie und wo sich alles abspielte und wie es (vielleicht) vor langer, langer Zeit zugegangen sein könnte in der Erzählung zur Sage von der geheimisumwitterten Burg Falkenstein.
berwiegend waren es früher die Weiberleut´ wie etwa Großmütter, Großtanten und andere Alte, die an langen Winterabenden den Maidlen un Bueblen schaurige und lehrreiche Sagen wie die Sage von Burg Falkenstein nahebrachten. Damals gab´s allerdings auch noch kein Radio, kein Fernsehen und auch sonst keine Medien. Wer hätte es dunnemals je erlebt, dass eine Sage immer im selbigen Wortlaut unter die Leut gebracht worden wäre?! Ein markantes Vorkommnis wurde wieder und wieder erzählt, wobei mal etwas weggelassen oder – aus reiner Fabulierfreude – einiges hinzugefügt wurde. Manchmal wurde dabei auch der Inhalt einer Sage ins genaue Gegenteil verdreht.
„An jedem G´schwätz”, so meinen allgemein die heutigen Nachkommen der Sueben (Schwaben / Alemannen), “isch au was Wahres dro!” Aus diesem Grund kann man konstatieren, dass eine jede Sage aus einem zeitlich weit zurückliegenden, tatsächlichen Geschehen herrühren dürfte. Selten nur, meine ich, ist eine Sage ohne jeglichen Grund unter die Leute gekommen. Und so wird auch die Sage von Burg Falkenstein ihre reellen historischen Wurzeln haben.
So geben verschiedene Quellen darüber Aufschluss, dass hoch über Bad Herrenalb – auf den Falkenstein-Felsen – sich tatsächlich eine Burganlage befunden hat. Anzeichen dafür geben auch Funde von frühmittelalterlichen Scherben, Brandschutt, Spuren von Graben- und Wallanlagen sowie im Klostermauerwerk verarbeitete Mauersteine. Sie soll den in der Gegend damals mächtigsten Grafen von Eberstein die Herrschaftsansprüche im Oberen Albtal gesichert haben. Mit der Stiftung des Zisterzienser-Klosters (vermutlich im Jahre 1148 oder 1149) habe die Burg offenbar an Bedeutung verloren und sei schließlich „abgegangen”. Das Tal jedoch war höchstwahrscheinlich schon – wenn auch nur dünn – zur Wende des 1. Jahrtausends besiedelt.
Ein Blick zurück
Die Sage von Burg Falkenstein spielt auch in Baden, aus Sicht der Baden(s)er dem wohl wichtigsten Landesteil in Baden-Württemberg. Aus ihrer Sicht steht „Baden“ dem Namenskonstrukt auch zurecht voran. Ob der Strich dazwischen als Bindestrich oder – vielleicht besser – als Trennungsstrich zu werten sei, darüber streiten sich ein paar (Lokal)-Patrioten und die Götter.
Das, was „Baden“ heute ausmacht, ist ein geschichtliches Relikt aus der Ära Napoleon. Er machte aus den etwa 250 selbstständigen Einzelstaaten im Südwesten – darunter unter anderem Freie Reichstädte, Grafschaften, Klöster und andere Mini-Staaten, ja sogar Freie Reichsbauern im Harmersbachtal – per „Reichsdeputationshauptschluss“ das Königreich Württemberg und das Großherzogtum Baden.
Dieses „Musterländle“ hat eine mehr als 900 Jahre währende, sehr wechselvolle Geschichte. Im Jahre 1112 erhielt der Zähringerspross Hermann das winzige Städtchen Badouin vom König zugeeignet. Weil sich in dortiger Nähe eine Felsformation des Badenhard (Battert) in bester (Aussichts-)Lage befand, hat dieser dort auch eine Burg gleichen Namens gebaut. Später wurde Hohen-Baden daraus.
Da sein Vater, ebenfalls Hermann genannt, für kurze Zeit einmal Markgraf von Verona gewesen war, behielt er diesen Titel und vererbte ihn weiter. Markgraf hört sich halt doch bedeutender an als „nur“ Graf! Im eigentlichen Sinne war eine Mark-Grafschaft ja eine Grenzregion des Römischen Reiches Deutscher Nation, die besondere militärische Bedeutung hatte. Drum wurde ein Markgraf einem Herzog gleichgestellt und gehörte somit dem Hochadel an! Nun denn, diese Badische Markgrafschaft entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte erst einmal prächtig.
Badische und württembergische Animositäten
Etwas verwirrend erscheint es heutigen Zeitgenossen, dass z. B. aus dem badischen Ort Stutengarten mal Stuttgart wurde und per Widdum (Heiratsgut) an den Grafen von Wirtemberg kam. Andererseits wiederum lag diese Markgrafschaft Baden einmal im Herzogtum Schwaben! Das allerdings war damals völlig normal! Heute kabbeln sich beide Landsmannschaften gerne gegenseitig, obwohl beide Völkerschaften den „Sueben“ entsprungen sind!
Zu den badischen Landen gehörten auch einmal die ehemals von den Ebersteiner Grafen gegründeten Klöster Herrenalb und Marienzell (heute: Frauenalb). Überhaupt haben sich die Badener die allermeisten Teile der Ebersteiner Landen einverleibt, sodass man sagen kann, die Grafschaft Eberstein wurde sukzessive Badisch. Fast nicht zu glauben, dass zuvor die Grafen von Eberstein bis übers Hohe Mittelalter hinaus wesentlich mächtiger waren als die erst später aufkommenden Württemberger und Badner (Mark-)Grafen. Weil die Markgrafen ihr Land „Baden“ heruntergewirtschaftet hatten, bedrückten sie im späten Mittelalter das Kloster Herrenalb weit mehr, als sie es beschützen sollten. Das gefiel dem Kaiser gar nicht! Er vergab darum auf Bitten der Mönche die Vogtei über dieses Kloster den Grafen von Wirtemberg. Nun denn, so wurde das oberste Tal der Alb eben württembergisch – und damit evangelisch – bis in unsere Tage. Nur der (ehemals) württembergische Ort Loffenau hat mit der Gebietsreform von 1973 endlich wieder ins Badische heimgefunden. Soviel vorab als historischer Hinweis zu dem Gebiet, aus dem die Erzählung zur Sage von Burg Falkenstein stammt.
Versuch einer historischen Rekonstruktion
Wie könnt´s nun, historisch betrachtet, einmal gewesen sein? Ich habe den Versuch unternommen, in der hiesigen Historie ein paar Saltos rückwärts zu schlagen, um zum vermuteten Ursprung der Sage zu gelangen. Diese Ereignisse habe ich in der Epoche des Hohen Mittelalters – genauer gesagt im 12. Jahrhundert – angesiedelt, um auch einen Bezug zur Herrenalber Klostergründung zu erhalten. Ich habe mich dann dementsprechend gefragt: Wo, was, warum und vor allem wann könnte das passiert sein?
Kommen Sie mit und tauchen mit mir ein in eine hoch-mittelalterliche Zeit, als es im Oberen Albtal noch weit und breit keine Klöster gab. Die Markgrafen von Baden waren bei Weitem noch nicht so bedeutend wie die Ebersteiner, und auch die Württemberger Grafen machten sich allenfalls ansatzweise bemerkbar. Ich will Ihnen nun berichten, wie es vielleicht vor langer, langer Zeit zugegangen sein könnte auf Burg Falkenstein.
Weitab vom großen Weltengetriebe windet sich ein kleines Flüsschen – oder ist´s nur ein Bach? – durch ein romantisches Wiesental. Die Kelten schon nannten es die „Hellfließende“, heute besser unter „Alb“ bekannt. Beidseits ist das Flüsschen von düster wirkenden Erlen gesäumt. Dazwischen glänzen silbrige Blätterdächer von Weidengehölzen. Dunkle Binsen und rotblühender Blutweiderich sowie die weißen Blütenstände des Mädesüß zeigen Stellen an, die man tunlichst nicht betreten sollte. Dort ist´s sumpfig! Mit Buchen, Eichen, Tannen und vielen Haselnussbüschen bestandene Waldungen reichen bis an die Wiesen und Matten heran. Die Römer zählten dieses Gebiet in ihrem Dekumatsland (Zehnt-Land) zum Silva Nigra (Schwarzer Wald). Svarzer Wald (svarz = düster, feindlich) werden die riesigen Waldungen nunmehr genannt.