Cover

Rudolf Höfling

MiG

Flugzeuge seit 1939

Paul Pietsch Verlage

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Einbandgestaltung: Sven Rauert

 

Bildnachweis und Dank:

Mein Dank geht an folgende Personen, die Fotos für dieses Buch beigesteuert haben: Ing. Karl Brandel, Hans-Jürgen Becker, Dipl.-Ing. Jerzy Butkiewicz, Peter P. K. Herrendorf, Guido Hitzenhammer, Laszlo Javor, Georg Mader, Thomas Lakatha und Erich Strobl.

Wo nicht anders vermerkt, stammen die Bilder vom Autor bzw. aus dessen Archiv.

 

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1. Auflage 2011

 

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Lektorat: Alexander Burden

ISBN 978-3-613-31043-8

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Fußnoten

1

Die Bezeichnung Suchoi Su-9 wurde später nochmals verwendet und bezeichnete ab Ende der 1950er-Jahre einen überschallschnellen Abfangjäger mit dem ASCC-Code »Fishpot«, welcher ein Konkurenzmuster der Mikojan-Gurewitsch MiG-21 »Fishbed« war.

2

Nach anderen, unbestätigten Quellen wurden alle drei Prototypen der MiG 105 fertiggestellt und erprobt.

Firmengeschichte auf einen Blick

Im Gegensatz zu anderen berühmten Namen der Luftfahrtproduktion bot das OKB (Osboje-konstruktorskoje Büro) Mikojan-Gurewitsch keine Vielfalt von Flugzeugtypen an sondern beschränkte sich, mit wenigen Ausnahmen, auf die Konstruktion und den Bau von Jagdflugzeugen. Die ersten MiG-Flugzeuge erschienen kurz vor dem Eintritt der Sowjetunion in den Zweiten Weltkrieg und bis zum Erscheinen der MiG-15, dem zweiten strahlgetriebenen Jagdflugzeug-Haupttyp dieses Konstruktionsbüros spielten die propellergebtriebenen Jäger dieses Herstellers in den ersten Jahren seines Bestehens für den Kriegsverlauf eine eher untergeordnete Rolle. Ende der 1940er-Jahre begann dann allerdings der kometenhafte Aufstieg von Mikojan-Gurewitsch und dieser Name wurde schließlich zum weltweit bekanntesten Flugzeughersteller.

Anuschavan »Artem« Iwanowitsch Mikojan wurde am 5. August 1905 als jüngster von fünf Kindern eines Zimmermanns in dem kleinen Bergdorf Sanain (heute: Tumanjan) in Armenien, nahe der türkischen Grenze geboren. Obwohl seine Familie in bescheidenen Verhältnissen lebte bestand seine Mutter auf eine gute Schulausbildung ihrer Kinder. Aus diesem Grund übersiedelte Anuschavan mit 13 Jahren zu Verwandetn nach Tblisi, wo er nicht nur eine bessere Schulbildung erhielt sondern auch mit der bolschewistischen Politik in Kontakt kam. Seit er in seiner Kindheit einen notgelandeten Farman-Doppeldecker gesehen hatte, war er von der Luftfahrt fasziniert und er wollte unbedingt Pilot werden. Fehlende finanzielle Mittel sowie eine Tuberkolose, von der er sich nie mehr gänzlich erholen sollte, beendeten allerdings abrupt seine Ausbildung. Nach dem Abschluss der Grundschule trat er in Rostov eine Stelle als Werkzeugmacher an und arbeitete danach bei der Fabrik Dynamo in Moskau, bis er 1925 zur Roten Armee eingezogen wurde und plichtgemäß auch der KPdSU beitrat.

Gemeinsam mit anderen Studenten baute Artem Mikojan als Abschlussarbeit an der Schukowski-Luftwaffenakademie das Leichtflugzeug »Oktjabrjonok«.

Flugzeugtyp:

Oktjabrjonok

Verwendungszweck:

Schul- und Sportflugzeug

Besatzung:

1

Passagiere:

Antrieb:

1 Zweizylinder-Motor von P. Labur mit 25 PS Leistung

Spannweite:

8,00 m

Länge:

6,20 m

Höhe:

2,76 m

Flügelfläche:

11,40 m2

Leergewicht:

150 kg

Startgewicht:

264 kg

Treib- und Schmierstoffe:

20 kg

Gipfelhöhe:

3.000 m

Höchstgeschwindigkeit:

126 km/h

Nach einem Jahr Armeedienst wurde es Artem Mikojan aufgrund seines Talents und seiner engagierten Tätigkeit bei der Kommunistischen Partei ermöglicht, Student der Schukowski Luftwaffenakademie in Frunse zu werden, wo er 1936/37 gemeinsam mit K. Samarin und N. A. Pawlow als Diplomarbeit an dem Leichtflugzeug »Oktjabrjonok«, einem Entwurf von Pjetr D. Gruschin, mitarbeitete und damit im folgenden Jahr promovierte. Die Flugerprobung dieses Schulterdeckers mit offenem Cockpit begann im November 1937 und die Maschine wurde danach als Anfangsschulflugzeug für die Serienfertigung sowie als Selbstbauflugzeug für Flugsportvereine em-pfohlen. »Oktjabrjonok« bedeutet übersetzt »Oktoberkind« und damit waren die sechs- bis zehnjähringen Kinder in den kommunistischen Pionierorganisationen gemeint.

Im Sommer 1937 war Mikojan dem neu gegründeten OKB von Nikolai Nikolajewitsch Polikarpow beigetreten und wurde dort der Entwicklungsgruppe für das Jagdflugzeug Polikarpow I-153 zugeteilt.

»Artem« I. Mikojan (in der Mitte) und Michail J. Gurewitsch (rechts).

Die andere Hälfte des künftigen OKB MiG, Michail Josifowitsch Gurewitsch, erblickte am 12. Januar 1893 als Sohn einer Akademikerfamilie nahe Kursk das Licht der Welt. Er studierte anfangs an der Universität von Kharkow, danach an der Academie de l'Aeronautique in Paris und schließlich wieder in Kharkow, am dortigen Technischen Institut, wo er im Jahr 1923 graduierte. Danach trat er beim CCB ein und im Jahr 1928 kam er als Triebwerkskonstrukteur zum Konstrutkionsbüro des Franzosen Paul Aimé Richard, der im selben Jahr in Moskau mit den Arbeiten an seinem Torpedoflugzeugprojekt TOM-1 (Torpedonosyets Otkrytogo Morya) für die Sowjetische Marineluftwaffe begann. Nach der Beendigung dieser Arbeiten im Jahr 1931 wechselte Gurewitsch zu Sergej A. Kotscherigin und übernahm dort die Leitung des Projekts TSh-3 (Tjazhelji Schturmowik), einem gepanzerten Angriffsflugzeug. Einer seiner wichtigsten damaligen Kollegen war Sergej W. Iljuschin, der ungefähr zehn Jahre später mit seiner Il-2 den Typ des gepanzerten Schlachtflugzeuges sowie den Ausdruck »Schturmowik« auch in der westlichen Welt berühmt machen sollte. Im Jahr 1936 begleitete Mikahil Gurewitsch seinen neuen Chef Boris P. Lisunow zur Douglas Aircraft Company nach Santa Monica in die Vereinigten Staaten, wo beide bis zum Frühjahr 1939 mit der technischen Seite der Lizenzproduktion der Douglas DC-3 – in der Sowjetunion als Lisunow Li-2 nachgebaut – vertraut gemacht wurden. Danach kehrten die beiden Russen in ihre Heimat zurück und während Lisunow im folgenden Jahr mit der Lizenzfertigung der DC-3 begann, wechselte Gurewitsch zum Konstruktionsbüro von Nikolai N. Polikarpow, wo er erstmals auf Anuschavan I. Mikojan traf. Schnell wurde offenbar, dass die beiden Ingenieure, welche sich auch privat gut verstanden, hervorragend zusammenarbeiteten und sie erhielten bald ihre eigene Entwicklungsgruppe.

Serienfertigung der MiG-3.

Im Juli 1938 begann Nikolai Polikarpow mit seinem Projekt K (WP) eines Höhenjagdflugzeuges unter der Bezeichnung I-61 und im folgenden Jahr gab er die Weiterführung dieser Arbeiten an die offiziell unabhängige OKO-1 ab, deren Leitung Artem Mikojan übernahm.

Hier arbeiteten Mikojan und Gurewitsch neben anderen Konstrukteuren erstmals an einem gemeinsamen Projekt. Die OKO-1 formierte sich unter Mikojan's Leitung offiziell am 25. Dezember 1939 und bezog die Gebäude der GAZ-1 »Osoawiachim« in Moskau. Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, dass Artem Mikojan's älterer Bruder, Anastas I. Mikojan, als Mitglied des Politbüros und Volkskommisar für den Außenhandel seinen Einfluss geltend machte. Kurze Zeit später wurde die OKO-1 zu einem eigenen Konstruktionsbüro, was auch darauf zurückzuführen war, dass Nikolai Polikarpow inzwischen bei der Führung der Sowjetunion in Ungnade gefallen war – ein Schicksal, welches er mit anderen russischen Flugzeugkonstrukteuren teilte.

Im Oktober 1941 wurde der ganze Betrieb vor der heranrückenden deutschen Wehrmacht nach Kujbischew in Sibirien evakuiert. Nachdem die Invasionsgefahr für die sowjetische Hauptstadt abgewendet war, kehrte das OKO-1 am 16. März 1942 wieder nach Moskau zurück und etablierte sich in der GAZ-155 in der Moskauer Ulansky Allee. Ab diesem Monat wurde das Entwicklungsbüro auch als OKB 155 (MiG) bzw. OKO MiG bezeichnet.

Die erste Entwicklung dieses Büros war die MiG-1, der aufgrund einer Reihe von Schwächen allerdings bereits nach kurzer Zeit die MiG-3 nachfolgte. Obwohl auch dieser zweite Typ bei der Truppe nur begrenzte Begeisterung erweckte, blieb er während der restlichen Kriegsdauer im Fronteinsatz. Die nachfolgenden Jagdflugzeugentwürfe, die während des Zweiten Weltkrieges erschienen, blieben entweder Prototypen oder dienten der Forschung. Mit zu den größten Handicaps aller dieser Projekte zählten oftmals die noch nicht ausgereiften Motoren, die zum Einbau kamen. Der große Erfolg für das OKB 155 (MiG) stellte sich erst Ende der 1940er-Jahre mit seinen Strahlflugzeugentwicklungen ein.

Zufälligerweise bedeutet das Wort »mig« in der russischen Umgangssprache auch »Augenblick«, »im nu« bzw. »im Handumdrehen« und wird daher zur Bezeichnung von Tempo und Geschwindigkeit verwendet – was ja durchaus mit den meisten Flugzeugprojekten des OKO MiG korrespondierte. Die beiden Konstrukteure formulierten einmal, dass Geschwindigkeit und Höhe von Anfang an dominant in der Philosophie bei der Entwicklung ihrer Flugzeuge waren. Deshalb war es auch nur logisch, dass das OKB 155 (MiG) Anfang des Jahres 1944 an der Begutachtung zweier erbeuteter Messerschmitt Me 163B der deutschen Luftwaffe beteiligt wurde, um einen eventuellen Nachbau dieses Raketenjagdflugzeuges mit einem russischen Raketenantrieb zu erwägen.

Übergabe von MiG-3 bei der GAZ-155 an das 12. IAP im Winter 1942.

Mit Ausnahme der 1937 begonnenen Arbeiten an dem Versuchsstrahltriebwerk RD-1 (Reaktivnji Dvigatel) der Konstrukteure Ljulka, Duschkin und Gluschkow, welche mit dem Angriff des III. Reichs auf die Sowjetunion im Juni 1941 eingestellt wurden und dem VRD-2, an dem Archip Ljulka 1943 arbeitete – welches aber als Antrieb für ein Jagdflugzeug zu schwach war – gab es in der Sowjetunion keine vergleichbaren Forschungen. Das Interesse der sowjetischen Führung an Strahltriebwerken erhielt neuen Auftrieb, als die Rote Armee in den Jahren 1944/45 einige deutsche Düsenmotoren Junkers Jumo 004 und BMW 003 erbeutete. Noch vor dem Kriegsende begann man nun mit der Erforschung und dem Nachbau dieser Strahltriebwerke. Das Jumo 004B wurde zum RD-10 und das BMW 003A zum RD-20 weiterentwickelt und beide auch in Serie hergestellt. Wenige Wochen vor dem Kriegsende erhielten alle Entwicklungsbüros der Sowjetunion mit Erfahrung im Bau von Jagdflugzeugen Aufträge zur Entwicklung von Strahljägern, welche eine Geschwindigkeit von 900 km/h erreichen sollten. So entstand beim OKB Lawotschkin die La-150 und beim OKB Jakowlew die Jak-15, welche beide von einem RD-10-Düsenmotor angetrieben wurden. Beim OKB Suchoi erschien die Su-9[1], die ihre Ähnlichkeit mit der Messerschmitt Me 262 nicht leugnen konnte und über zwei RD-20-Triebwerke verfügte. Auch das OKB 155 (MiG) reichte mit seinem Entwurf I-300 ein Jagdflugzeug ein, für dessen Vortrieb zwei RD-20-Strahltriebwerke sorgten.

Große Inspektion bei einer MiG-15. (Georg Mader)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges basierten zahlreiche Weiterentwicklungen von strahlgetriebenen Flugzeugen der Siegermächte auf deutschen Forschungen und die meisten Flugzeugkonstrukteure der Sowjetunion hatten noch im Jahr 1946 Probleme mit der Verkvollkommnung ihrer Weiterentwicklungen der deutschen Düsentriebwerke sowie der Flächen- und Zellenkonstruktionen für den Überschallbereich. Der sowjetische Luftfahrtminister Michail Krunischew und der Flugzeugkonstrukteur Alexander S. Jakowlew schlugen deshalb Josef Stalin vor, einige weiterentwickelte Strahltriebwerke bei den Briten zu erwerben und die Antwort des Diktators lautete damals: »Welcher Narr würde uns seine Geheimnisse verkaufen?« Dennoch unterstützte Stalin dieses Vorhaben und daher reisten Artem Mikojan, der Triebwerkskonstrukteur Wladimir J. Klimow sowie weitere Vertreter der sowjetischen Luftfahrtindustrie noch im selben Jahr nach Großbritannien, um dort einige der neuesten Düsentriebwerke zu erwerben. Zur großen Verblüffung der Sowjets sagten die damalige Labour Regierung und ihr pro-sowjetisch eingestellter Handelsminister Sir Stafford Cripps den Russen ihre Unterstützung beim Erwerb und Lizenzbau des britischen Rolls-Royce Nene-Strahltriebwerks zu. Die ersten zehn dieser Strahltriebwerke wurden noch im selben Herbst von der Sowjetunion angekauft und als RD-45 bezeichnet. Im März 1947 folgten weitere 15 Nene-Triebwerke und später noch mehr. Bis zum Dezember 1948 wurde dieses englische Strahltriebwerk zum Klimow VK-1 weiterentwickelt und damit sofort die Serienproduktion aufgenommen. Vom VK-1 wurden schließlich tausende Exemplare hergestellt, wobei die Firma Rolls-Royce erfolglos versuchte, von der Sowjetunion Lizenzgebühren von insgesamt 207 Millionen Pfund für ihr Triebwerk zu erhalten. Mit den Strahltriebwerken begann der einzigartige Aufstieg des OKB MiG, denn das VK-1 wurde in verschiedenen weiterentwickelten Versionen zum Standardtriebwerk der weltweit erfolgreichen MiG-15 und MiG-17.

Diese beiden Strahljäger sorgten bei ihrem Erscheinen über Korea und Vietnam bei ihren Gegnern für eine unangenehme Überraschung, war man im Westen doch seit dem Zweiten Weltkrieg der Meinung, dass der sowjetische Stand der Technik dem westlichen unterlegen sei. Dies war eine damals weit verbreitete Ansicht, die in manchen Bereichen auch durchaus berechtigt war. Noch größer war die Überraschung im Westen beim Erscheinen der MiG-21 Ende der 1950er-Jahre. Ebenso wie sich die Führung der V-VS in diesen Jahren eine Dassault Mirage III zur genauen Erprobung wünschte, erhofften sich die Amerikaner eine MiG-21. Das führte schließlich dazu, dass die Vereinigten Staaten eine Belohnung von 125.000 US Dollar für eine unbeschädigte »Fishbed« aussetzten – was in den folgenden Jahren einige MiG 21-Piloten zum Überlaufen verführte.

In den folgenden Jahrzehnten arbeiteten beim OKB MiG eine Reihe verschiedener Konstrukteure als leitende Ingenieure an unterschiedlichen Projekten und Artem Mikojan wurde am 20. Dezember 1956 zum Chefkonstrukteur ernannt. Acht Jahre später wurde Michail J. Gurewitsch aus gesundheitlichen Gründen pensioniert und Artem I. Mikojan blieb bis zu seinem Ruhestand der alleinige Leiter des Konstruktionsbüros. Am 27. Mai 1969 erlag der Generaloberst des Technischen Dienstes Anuschavan I. Mikojan jedoch einem Herzinfarkt und im folgenden Jahr wurde die Firma in die Aktiengesellschaft A. I. Mikojan umgewandelt, wobei der Name Gurewitsch nun im Titel entfiel, die Abkürzung MiG aber beibehalten wurde. In den folgenden Jahren wuchs diese AG zum bedeutendsten Entwicklungszentrum für Jagdflugzeuge in der Sowjetuion, deren Angehörige sich stolz »Mikojanowzi« nennen.