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Vorschau

Dorian Hunter Band 97: Alastors Erben

Dorian Hunter hat sein dämonisches Erbe angenommen. Ist das das Ende des Dämonenkillers? Die Antwort darauf findet sich in einigen geheimnisvollen Aufzeichnungen, die Coco im ehemaligen Stammsitz ihrer Familie findet – und in Dorians früherem Leben als Hugo Bassarak. Doch die Erinnerung daran ist nach wie vor verschüttet …

 

 

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Das Ding im Spiegel

 

© Zaubermond Verlag 2019

© "Dorian Hunter – Dämonenkiller"

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

 

Titelbild: Mark Freier

eBook-Erstellung: Die eBook-Manufaktur

 

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Alle Rechte vorbehalten

 

 

Was bisher geschah

 

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Ihn kann Dorian schließlich töten.

Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass sie in Wirklichkeit hinter dem wiedererstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Der in ihr schlummernde Asmodi übernimmt die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf.

Den Posten des Schiedsrichters nimmt die babylonische Vampirin Salamanda Setis an, die noch ein sehr persönliches Hühnchen mit Dorian zu rupfen hat. Gleichzeitig gelingt es Dorian mithilfe seiner Tochter Irene, ganz Großbritannien von Dämonen zu befreien. Allerdings sind Salamanda und Asmodi bereits dabei, einen Gegenschlag zu planen. Um ihn zu verhindern und Salamanda als Schiedsrichterin zu stürzen, unterstützt Dorian seinen alten Mal-Freund-mal-Feind Olivaro als Schiedsrichter-Gegenkandidaten. Die endgültige Entscheidung über das Schiedsrichteramt soll bei einem Wettstreit entschieden werden. Dieser endet mit Salamandas Tod, aber auch damit, dass Dorian und Olivaro gemeinsam in einer uralten Tropfsteinhöhle gefangen sind.

 

 

Erstes Buch: Spiel mit dem Tod

 

Spiel mit dem Tod

 

von Christian Schwarz

nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

 

 

Kapitel 1

 

Nähe Montignac, Frankreich

Schrille Schreie und wüstes Gejohle ließen Fred Archer hochschrecken. Für einen Moment wusste er nicht, wo er sich befand. Dann kam die Orientierung zurück. Archer fühlte sich einsam und hatte große Angst. Jeder andere Platz auf der Erde wäre ihm momentan lieber gewesen als dieser hier. Denn der Privatdetektiv steckte nach wie vor in der Felsspalte innerhalb der Höhle, in der er schon seit vielen Stunden ausharrte. Sie befand sich nahe dem Eingang und bot ihm gute Sicht auf den Platz vor der Höhle. Die Dunkelheit war längst hereingebrochen, der Platz nun in ein fahlrötliches Licht getaucht, das Archer fast körperliche Schmerzen bereitete. Für einen Moment schloss er gequält die Augen. Dabei wünschte er sich, die Szenerie vor der Höhle einfach wegblinzeln zu können, wie es dieser weibliche Flaschengeist – Wie hieß sie nochmal? Bezaubernde Jenny oder so ähnlich – einst im Film gemacht hatte. Aber das konnte wohl nicht mal der Mächtigste von denen da draußen. Noch immer harrte die Dämonenbrut dort aus. Der Schwarze Sabbat, den die rund 200 Schwarzblütigen feierten, schien gerade einen neuen Höhepunkt zu erreichen.

Archer schaute auf sein Smartphone. Der Akku war fast leer. Weitere Hilferufe über WhatsApp ans Dämonenkillerteam ersparte er sich. Die Verbindung hier war schlecht, aber seine Nachricht war durchgekommen, da war er sich fast sicher. Es würde nur dauern, bis ihn irgendwer erreichte.

Kreuz und quer hatten sich die Dämonen auf den kahlen Felsen zwischen den verkrüppelten Bäumen und Sträuchern verteilt. Nur die wenigsten besaßen jetzt noch ihr menschliches Aussehen. Die Brünette mit den Goldaugen, die vor einigen Stunden den Hotelbediensteten Antoine grausam zerfleischt hatte, klemmte nackt, mit weit gespreizten Schenkeln, in einer Astgabel und ließ sich von fünf Dämonen gleichzeitig befriedigen. Das lüsterne Stöhnen, Hecheln, Lachen und Kreischen der Gruppe mischte sich mit den weiterhin anhaltenden schrillen Schreien zu einer Kakophonie des Grauens. Archer hätte sich am liebsten übergeben, auch deswegen, weil der bestialische Gestank, der von draußen in die Höhle wehte, immer schlimmer wurde. Er wollte das alles nicht sehen und konnte trotzdem nicht die Augen davon wenden. Woher die Angstschreie kamen, sah er noch nicht, weil ihm das Dämonenpack die Sicht versperrte.

Ein Stück vor ihm gerieten zwei Dämonen, die sich um die Überreste Antoines balgten, plötzlich in Streit. Ein Dämon mit Schweinekopf auf schwabbeligem männlichem Körper und überdimensionalem Gemächt fauchte eine hochgewachsene, engelartig aussehende Gestalt mit großen schwarzen Flügeln an, aus deren Maul noch Eingeweidereste des Unglücklichen hingen. Der Schweinekopf griff nach den Eingeweiden und wollte sie dem Engelartigen aus dem Maul ziehen. Während er noch daran zerrte, erfasste ihn plötzlich eine unsichtbare Kraft und warf ihn mehrere Meter nach hinten. Als der Schweinekopf taumelte und rücklings auf den Boden knallte, fielen sofort ein paar andere Dämonen über ihn her und zerrten ihn davon. In die anderen Dämonen kam ebenfalls Bewegung. Sie fächerten auseinander und bildeten eine Art Korridor. Für einen Moment verstummten die Schreie.

Vier wüst aussehende Harpyien mit ausgemergelten Frauengesichtern auf Vogelleibern, mit Vogelfüßen und menschlichen Krallen ausgestattet, trieben drei junge Menschenfrauen vor sich her. Sie waren nackt und zitterten am ganzen Leib. Archer ballte vor Wut die Fäuste. Unwillkürlich griff er nach seiner Pyrophorpistole. Eine hilflose Geste, denn gegen die Übermacht hätte er damit keine Chance gehabt. Zu seiner Wut gesellte sich ein Ohnmachtsgefühl, das er ebenfalls nur schwer ertrug. Er konnte den Frauen nicht helfen, weil es einem Selbstmord gleichgekommen wäre. Eines immerhin konnte er tun. Aufhören zu filmen nämlich, um ihr grausames Ende nicht für die Nachwelt zu konservieren. So wahrte wenigstens er ihre Würde, denn die Dämonen würden es ganz sicher nicht tun.

Die Brut hüpfte und kicherte. Sie schleuderte den Frauen, die durch den Korridor getrieben wurden, obszöne Beschimpfungen entgegen und berührte sie auf noch obszönere Art und Weise, riss ihre Arme weg, mit denen sie ihre Blößen zu bedecken versuchten. Jede Berührung löste einen weiteren schrillen Schrei aus, in dem Archer das namenlose Entsetzen mitschwingen spürte, das die Opfer zweifellos empfanden. Sie wagten es jedoch nicht, sich zu wehren. Nun wurde auch die kopulierende Gruppe aufmerksam, löste sich auf und wandte sich der neuen Attraktion zu.

»Ah, sieh einer an!«, rief die Goldäugige, deren schlaffer Körper vor Schweiß troff. »Ein bisschen neues Spektakel zur Ablenkung! Eine gute Idee, wenn Asmodi es uns schon verwehrt, den Kampf der Schiedsrichter verfolgen zu können.«

»Ja, du hast recht!«, antwortete eine Stimme, die wie ein rostiges Sägeblatt klang. »Es ist enttäuschend. Diese Ersatzbefriedigungen machen auf Dauer keine Laune. Aber besser als nichts.«

Johlen klang auf. Ein riesiger Werwolf stürzte sich geifernd auf die hintere der Frauen und riss sie zu Boden. Sofort griffen ihn zwei Harpyien an, die wohl ebenfalls ein Auge auf die Frau geworden hatten. Kreischend schlugen sie ihre Krallen in seinen Rücken, hoben ihn flatternd gut fünf Meter in die Luft und ließen ihn dann fallen.

Ein greller Blitz spaltete die Nacht. Wie aus dem Nichts stand Asmodi zwischen seinen Dämonen. In schwarzem Frack und Zylinder wirkte der Fürst der Finsternis seltsam altmodisch, ein wenig wie aus der Zeit gefallen, aber diese bei Asmodi beliebte Erscheinungsform kannte Archer zur Genüge. Dazu gehörte das flächige, konturlose Gesicht, in dem lediglich zwei grellrote, geschlitzte Augen funkelten. »Du wagst es, mich zu kritisieren, du elendes Gezücht!«, schrie er die goldäugige Hexe an.

Die sank zu Boden und neigte den Kopf. »Gnade, mein Fürst«, wimmerte sie. »Meine Worte waren keine Kritik an Euch, sondern nur Ausdruck unseres Empfindens. Ich …«

»Halt deinen Mund!«, brüllte Asmodi sie weiter zusammen. »Du bist zu weit gegangen. Dafür kann es nur eine Strafe geben. Ich verwandle dich in einen Freak!«

Nun johlte die Dämonenmeute erst recht. Aus Asmodis Fingerspitzen zuckten Blitze und schlugen in ihren Körper. Sie schrie wie am Spieß und zuckte konvulsivisch auf dem Boden.

Ungerührt schaute Archer die schreckliche Verwandlung mit an. Es knirschte, als sich ihre Knochen verformten. Das Gesicht der Goldäugigen verzog sich zu einem unförmigen Etwas, in dem das linke Auge plötzlich auf Kinnhöhe saß. Ihr rechter Arm schrumpfte auf Fingergröße, während sich der linke auf eine Länge von gut drei Metern streckte und tentakelartig dünn wurde. Auch ihre Beine wurden unterschiedlich lang, bildeten Eiterpusteln und Geschwüre aus, die sofort platzten und ihren unappetitlichen Inhalt in die nähere Umgebung verspritzten. Einige Dämonen leckten die Spritzer gierig auf.

Unter dem Jubel der Anwesenden und üblen Tritten kroch der Freak schluchzend weg.

Archer hatte längst begriffen, dass der Fürst der Finsternis wohl eine Zeitlang abwesend gewesen war. Denn in seiner Anwesenheit hätte die Goldäugige diese Kritik niemals gewagt. Pech für sie, dass Asmodi sie dennoch mitbekommen hatte. Der Gedanke, was wohl passiert wäre, wenn alle anwesenden Dämonen in die Kritik der Goldäugigen eingestimmt hätten, entlockte ihm ein kurzes, freudloses Grinsen.

Mit einem Schlag 200 Dämonen weniger. Das wär doch mal eine Ansage …

Asmodi hob die Arme. Sofort war es totenstill. Archer begann wieder mit dem Smartphone zu filmen. Lange würde der Akku nicht mehr reichen, aber bis dahin musste er so viele Informationen wie möglich sammeln. »Ich gebe zu, dass die Lage für euch nicht befriedigend ist, genauso wenig wie für mich. Auch ich hätte den Kampf der Schiedsrichter gerne in jeder Einzelheit mitverfolgt, aber gewisse Umstände zwangen mich, so zu handeln, wie ich es getan habe. Vergnügt euch also immerhin mit weiteren Opfern, bis ein Ergebnis endlich feststeht.«

Ein zweiter Blitz spaltete die Nacht. Daraufhin bildeten Hunderte von brennenden schwarzen Kerzen ein Viereck direkt vor Asmodi. Dazwischen wuchs langsam ein langgezogener, viereckiger Klotz in die Höhe, der in einem tiefen Schwarz schimmerte. Die Dämonen schrien vor Begeisterung.

Was soll das werden?, dachte Archer und beantwortete sich die Frage umgehend selbst. Ein Blutaltar …

Die Harpyien schleppten die Frauen an den schwarzen Altar, dem der Name Schlachtbank sicher gerechter wurde. Nur noch die Schwarzhaarige schien leise zu schluchzen. Archer glaubte es am Zittern ihres Körpers zu erkennen, denn Tränen hatten alle drei keine mehr. Die Blonde und die Rothaarige starrten lediglich apathisch vor sich hin.

Ein Wink Asmodis mit der rechten Hand genügte. Die Harpyien hoben ihre Opfer hoch und drückten sie gegen den langen Steintisch. Die Frauen schrien und kreischten nun doch wieder, weil sie zu begreifen schienen, was gleich mit ihnen passieren würde. Sie wanden sich im Griff der Harpyien, hatten aber keine Chance. Auf dem Rücken liegend, wurden sie mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Tisch fixiert, eine hinter der anderen. Nur die Köpfe konnten sie noch heben. Da Archer keine Fesseln sah, handelte es sich wohl um eine magische Fixierung.

»Was … was habt ihr … mit uns vor?« Die Worte aus dem Mund der Blonden waren nicht mehr als eine Aneinanderreihung kläglicher Gutturallaute, die Archer aber dennoch verstand, weil Asmodis Magie sie für alle hörbar machte. Die Frau zitterte nun so stark, dass ihre Zähne laut aufeinanderklapperten.

»Was wir mit euch vorhaben?« Eine der Harpyien lachte schrill. »Na, was glaubt ihr wohl? Nach was sieht es denn aus? Fressen werden wir euch natürlich.«

Die Frauen wanden sich verzweifelt, weinten, jammerten, brüllten, kreischten und baten, erhofften sich Mitleid und wussten doch genau, dass sie keines bekommen würden.

»Beginnt nun!«, rief Asmodi.

Und die Dämonen begannen mit ihrem erneut grausigen Tun. Die schrillen Panikschreie, die die Frauen anfangs ausstießen, ihr Winden in den unsichtbaren Fesseln, der Geruch des nahenden Todes, den die Leiber verströmten, machten die Dämonen geradezu verrückt. Als Traube hingen sie über dem Altar und stießen sich dabei gegenseitig weg, um den besten Platz und die besten Stücke zu bekommen. Die Schreie verstummten endgültig, wurden durch Reißen, Schmatzen, Kichern und Stöhnen ersetzt. Eine übermannsgroße, siebenköpfige Schlange, deren Häupter in verschiedenen Farben schillerten, löste sich aus dem Haufen und kroch weg. In drei Mäulern trug sie Körperteile, deren ehemalige Funktion Archer gar nicht erkunden wollte. Er hörte auf zu filmen, schloss die Augen und versuchte, die Übelkeit, die ihm den Magen umzudrehen drohte, in den Griff zu bekommen. Es gelang ihm tatsächlich.

Als er die Augen wieder öffnete, bemerkte er zu seinem Entsetzen einen hochgewachsenen blonden Hexer, der mit einem blutenden Organ in der Hand direkt auf die Höhle zustürmte, verfolgt von zwei geifernden Vampiren. Der Magen des Privatdetektivs zog sich schlagartig zu einem Klumpen zusammen.

Der wird doch nicht …

Erneut griff er nach der Pyrophorpistole. Wenn der Hexer versuchte, seine Beute hier in der Höhle in Sicherheit zu bringen, wurde die Gefahr einer Entdeckung riesengroß. Zum Glück drehte er vorher ab und rannte seitlich weg. Archer atmete auf. Hatte Asmodi den Dämonen das Betreten der Höhle verboten? Bisher hatte sich noch kein einziger hereingewagt. Aber Archer war weit davon entfernt, das als Dauerzustand zu betrachten.

Nachdem er trotz der gefährlichen Situation kurzzeitig vor Müdigkeit eingenickt war, war er nun wieder hellwach. Dass er hier alleine, in Sichtweite des Dämonenpacks, ausharren und hoffen musste, nicht entdeckt zu werden, hatte er Dorian Hunter zu verdanken. Sollte ich das hier tatsächlich überleben, werde ich mal ein ernstes Wort mit ihm reden. So geht’s einfach nicht …

Für dieses Gespräch musste allerdings auch der Dämonenkiller erstmal überleben. Ob Hunter das schaffte, konnte Archer im Moment nicht einschätzen.

Begonnen hatte das Ganze damit, dass Olivaro Anspruch auf das Amt des Schiedsrichters der Schwarzen Familie erhob. Ein von ihm selbst geschaffener Eidesstab diente ihm dabei als Legitimation, das Dämonenkillerteam unterstützte dieses Vorhaben. Weil sich die aktuelle Schiedsrichterin Salamanda Setis durch ihr Verhalten angreifbar machte und Olivaro so in die Karten spielte, hatte Asmodi die Forderung nicht einfach vom Tisch wischen können und schließlich einen Kampf der Schiedsrichter ausgerufen. Der fand in diesem Höhlenkomplex hier in Südfrankreich statt. Hinter einem Bannsiegel, nicht weit von Archer entfernt, lauerte ein unglaublich mächtiger Dämon. Asmodi war nun auf den irrwitzigen Gedanken verfallen, denjenigen als wahren Schiedsrichter anzuerkennen, der es schaffte, den unbekannten Dämon auf den eigenen Eidesstab die Treue zu Asmodi schwören zu lassen. Um den Dämon nicht freizusetzen, weil höchstwahrscheinlich auch Asmodi die Folgen nicht abschätzen konnte, hatte der Fürst der Finsternis ein Tor am Siegel vorbei geschaffen, um den beiden Kontrahenten den Zugang in die zweite Höhle zu ermöglichen. Oder was immer dort hinter dem Siegel war. Allerdings handelte es sich bei diesem Tor zunächst um eine Einbahnstraße. Olivaro und die Rabisu waren zwar hineingekommen, aber nur der, der die Aufgabe erledigte, durfte auch wieder heraus.

Weil irgendjemand die ebenfalls seit Jahrtausenden geschlossene Vorhöhle, in der Archer gerade saß, geöffnet und die darin kompensierten magischen Kräfte freigesetzt hatte, waren Archer und Morales schon eine ganze Weile zuvor auf die Höhle aufmerksam geworden. Der Dämonenkiller hatte sie deswegen sofort als Szenerie für den Kampf der Schiedsrichter zuordnen können, nachdem Asmodi diesen offiziell ausgerufen und »eine Höhle in der Nähe von Lascaux« als Kampfort benannt hatte. Hunter hatte darauf gedrängt, sofort aufzubrechen, um sich die Höhle noch vor dem Kampf anzusehen. Er war sicher, dass Asmodi irgendeine Sauerei plante, womöglich, den gefährlichen Dämon freizulassen, und wollte das unbedingt verhindern. »Das Zünglein an der Waage spielen«, wie er sich ausgedrückt hatte.

Über Lascaux II, die Nachbildung der berühmten Steinzeithöhle mit ihren atemberaubenden Zeichnungen, waren Archer und der Dämonenkiller in die Höhle hier vorgedrungen und tatsächlich noch vor den Dämonen angekommen. Allerdings nur knapp, denn kurze Zeit später hatte der Kampf der Schiedsrichter bereits begonnen. Als die beiden Schiedsrichterkontrahenten durch das von Asmodi geschaffene Tor verschwunden waren, war Hunter ihnen – selbstverständlich ohne Absprache mit Archer – einfach hinterher gerannt und ebenfalls hinter dem Siegel verschwunden.

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde, dachte Archer sarkastisch und immer noch sauer auf Hunters Alleingang. Denn er schaffte es nicht alleine, den schweren Felsbrocken, der das Höhlensystem gegen Lascaux II abschottete, beiseitezuschieben. Daran hätte Dorian vielleicht auch mal denken können, bevor er einfach losgerannt ist …

Deswegen musste Archer hier nun alleine ausharren und hoffen, dass alles zu einem guten Ende kam. Und das möglichst rasch. Wie lange halte ich das hier ohne Essen und Trinken aus? Drei Tage? Maximal vier? Keine Ahnung. Vielleicht macht es sich jetzt ja endlich mal bezahlt, dass ich zu viel Speck auf den Rippen habe. Ach was. Bevor meine Fettreserven angegriffen werden, bin ich längst verdurstet …

Und was die machtvolle magische Aura, die der unbekannte Dämon hinter dem Siegel verstrahlte, am Ende mit ihm machte, konnte er auch noch nicht abschätzen. Auf jeden Fall setzte sie ihm immer stärker zu. Am Anfang hatte sie ihm lediglich ein unangenehmes Gefühl verursacht, nun ließ sie ihn immer schwerer atmen. Es fühlte sich an, als drücke ihm etwas ganz allmählich die Lungenflügel zusammen.

Archer nahm es als gegeben hin, dass die Dämonen erst wieder von hier weichen würden, wenn es ein Ergebnis gab. Wie lange das dauern würde, wusste keiner.

Irgendetwas war plötzlich anders. Archer nahm es wahr, ohne es zunächst benennen zu können. Die Dämonen vor der Höhle klärten ihn auf.

»Spürt ihr es auch?«, rief plötzlich eine der Harpyien, die auf einem Felsen hockte und einen Frauenarm zwischen den Krallen hatte.

Die anderen Dämonen hielten inne. »Ja, ich spüre es ebenfalls«, erwiderte der blonde Hexer und richtete den Oberkörper auf. »Die machtvolle Aura des fremden Dämons wird schwächer«, sagte die Werwölfin, die gerade auf dem Hexer ritt.

»Ja, tatsächlich …«

Sie hatten recht. Der Druck wich langsam von Archer, er konnte plötzlich wieder freier atmen!

Unter den Dämonen setzte Gemurmel ein. Sie schienen verwirrt zu sein. Die Harpyie, die die Botschaft zuerst verkündet hatte, rief nach Asmodi. Er erschien fast sofort vor dem schwarzen Altar.

»Was hat das Verschwinden der machtvollen Aura zu bedeuten, Asmodi, Fürst der Finsternis?«, fragte sie mit demütig gesenktem Kopf. »Wir alle haben gesehen, dass der Dämonenkiller der Schiedsrichterin und Olivaro hinter das Siegel gefolgt ist. Sollte es Hunter gar gelungen sein, den Dämon dort zu töten?«

»Vielleicht hat auch einer der Schiedsrichteranwärter die Aufgabe bereits erfüllt und den Dämon auf seinen Eidesstab schwören lassen?«, vermutete der blonde Hexer, der die Werwölfin rüde von sich stieß und sich erhob.

»Du redest mal wieder Schwachsinn«, ereiferte sich eine rothaarige Hexe. »Aber das kennen wir ja. Noch nie hat jemand aus der Klostermann-Sippe irgendwas Vernünftiges gesagt …«

»Pass auf, was du sagst, Bettina«, zischte der Hexer sie böse an, während Flammen auf seinen Fingerspitzen zu züngeln begannen. Im oberen Teil bildeten sie Schlangenköpfe aus, die wütend nach der Rothaarigen schnappten.

»Bettina hat Recht«, sprang die siebenköpfige Schlange ihr zur Seite. »Warum sollte die Macht des fremden Dämons abnehmen, wenn er einen Treueeid auf einen Eidesstab schwört? Das ergibt wenig Sinn.«

Der Hexer wandte sich nun der Schlange zu. »Die Freunde unserer Feinde sind auch unsere Feinde«, stieß er hasserfüllt hervor. »Wenn du willst, dass wir Klostermanns eurer unwichtigen Sippe den Krieg erklären, dann mach nur so weiter.«

»Wir müssen in die Höhle und nachschauen«, rief eine gut drei Meter große Teufelsgestalt mit unterarmlangen Hauern im Oberkiefer.

»Ruhe!«, donnerte Asmodi. »Niemand von euch wird die Höhle betreten! Mein Befehl gilt nach wie vor, solange ich nicht ganz sicher bin, dass das Siegel gebrochen werden kann. Bei dem plötzlichen Abklingen handelt es sich möglicherweise um eine Täuschung. Ich werde selber nachsehen.«

Für einen Moment hatte Archer den Eindruck, Asmodis Körper würde sich in Millionen schwarzer Käfer auflösen, die blitzschnell übereinanderkrabbelten. So falsch konnte dieser Eindruck nicht gewesen sein, denn anschließend hielt der Fürst der Finsternis genau einen solchen Käfer zwischen den Fingern und präsentierte ihn der Dämonenbrut. Gleichzeitig begann die Luft über dem Blutaltar zu flimmern. »Ich werde nun diese magische Sonde hinter das Siegel schicken«, verkündete er. »Sie soll prüfen, was dort drinnen passiert, ob unter Umständen tatsächlich einer der Schiedsrichteraspiranten Vollzug melden möchte.«

Einige Dämonen begannen zu jubeln. Asmodi betrat die Vorhöhle und löste heftige Schweißausbrüche bei Archer aus. Der Privatdetektiv umklammerte krampfhaft die Pyrophorpistole, obwohl ihm klar war, dass er damit dem Fürsten der Finsternis nicht beikommen würde. Sein Magen war ein einziger dicker Klumpen, er atmete nur ganz flach. Das Blut rauschte plötzlich in seinen Ohren, er war sicher, dass Asmodi dieses Geräusch gar nicht überhören konnte.

Der Fürst der Finsternis bemerkte ihn nicht. Eigentlich hätte er Archers Anwesenheit spüren müssen, aber die Reste der Aura in der Höhle schienen Archer zu verbergen. Asmodi ging ein Stück in die Vorhöhle hinein und öffnete das Portal erneut einseitig, um die Sonde hinter das Siegel zu schicken. Archer konnte das zwar nicht sehen, weil er es nicht wagte, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, aber was hätte Asmodi auch sonst tun sollen?

Im nächsten Moment schon verdichtete sich das Flimmern über dem Blutaltar und wurde zu einem bewegten Bild. Ein schmaler, ziemlich niedriger Felsengang wurde sichtbar, durch die sich die magische Sonde wie eine fliegende Kamera bewegte. Er weitete sich zu einer zerklüfteten Kaverne aus, in der Archer, der einen guten Blick auf die magische Leinwand besaß, erneut diese fantastischen Höhlenmalereien erkannte, die es hier überall zu geben schien. Der magische Spion flog zunächst die Kaverne ab. Dann entschied er sich für einen der sieben Gänge, die davon abführten. Auch er schien schmal und niedrig zu sein, was Archer wegen eines fehlenden Maßstabs aber nur vermuten konnte.

»Die Sonde ist auf Olivaros Ausstrahlung geprägt. Und auf die der Schiedsrichterin natürlich«, kommentierte Asmodi. »Deswegen wird sie früher oder später einen der beiden finden.«

Hinter dem Gang öffnete sich eine weitere, total zerklüftete Höhle. Plötzlich ging ein Stöhnen durch die Reihen der Dämonen. Auch Archer stockte der Atem. Aus einem weiteren Gang tauchte Olivaro auf! Er schien die magische Sonde bemerkt zu haben, blieb stehen und schaute direkt zu ihr hoch. Dann reckte er den Eidesstab, den er in der Rechten hielt, in die Höhe.

»Hörst du mich, Fürst der Finsternis?«, rief er, und auf seinem schmalen Gesicht mit den weit auseinanderstehenden Augen lag plötzlich ein triumphierender Zug. »Ich habe den fremden Dämon unterworfen und ihn auf meinen Eidesstab schwören lassen, dir ein treu ergebener Diener zu sein. Er ist darauf eingegangen. Die Bedingung ist also erfüllt, ich bin der neue Schiedsrichter der Schwarzen Familie. Öffne mir also den Rückweg durch das Portal!«

Asmodi lachte höhnisch, während sich Archer ernsthafte Sorgen um Dorian machte. Wo war der Dämonenkiller abgeblieben? Hatte Olivaro ihn getötet? Oder der fremde Dämon? Und was war mit Salamanda? Die Rabisu hätte die triumphale Präsentation Olivaros sicher verhindert – wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte.

»Ich höre deine Worte, allein, mir fehlt der Glaube!«, donnerte Asmodi, der längst wieder draußen im Kreise seiner Dämonen stand. Und zwar direkt auf dem Blutaltar. »Beweise es mir, Olivaro. Geh zu dem Dämon, den du unterworfen hast. Ich möchte ihn sehen und seinen Treueschwur aus seinem eigenen Mund vernehmen.«

»Das wird im Moment leider nicht möglich sein, Fürst«, erwiderte Olivaro aalglatt. »Die Auseinandersetzung mit mir hat den Dämon so geschwächt, dass er nach dem Treueschwur in einen tiefen Schlaf versunken ist, aus dem ich ihn momentan nicht zu wecken vermag. Ich habe es bereits versucht. Mit diesem Beweis kann ich dir also im Moment nicht dienen.«

»Was du nicht sagst, Olivaro.« Die Stimme Asmodis troff nun geradezu vor Hohn. In seiner Gesichtsfläche begann es zu irrlichtern. In schneller Abfolge erschienen Albtraumfratzen und Menschengesichter. Dann war das Phänomen schon wieder vorbei. »Dann versuchen wir es anders. Hat der fremde Dämon einen Namen?«

Olivaro nickte. »Ja. Zunächst wollte er ihn mir nicht verraten, aber ich habe ihn aus ihm herausgepresst. Der Dämon heißt Legion.«

»Legion, soso. Was für ein seltsamer Name. Steckt irgendeine Bedeutung dahinter?«

»Natürlich, Fürst.« Olivaro lächelte kapriziös und drehte den Eidesstab ein paarmal geschickt zwischen den Fingern der rechten Hand. »Die Wesen, die den mächtigen Dämon einst in dieser Höhle einschlossen, zersplitterten seine Kraft und bannten sie in hunderte Mammutknochen und Schädel, Wirte genannt, die sie in verschiedenen Höhlen unterbrachten. So konnte der Dämon seine geballte Kraft nicht mehr einsetzen. Legion nahm sich irgendwann nicht mehr als ein komplettes Wesen wahr, sondern als viele. Der größte Teil seines Bewusstseins war in einen Mammutschädel gebannt, den ich schlussendlich zum Gehorsam bringen konnte, indem ich einige kleinere dieser Wirte einzeln tötete und ihm drohte, damit fortzufahren, bis er vollkommen vernichtet sei.«

»Weiterhin wohlfeile Worte, aber keine Beweise«, erwiderte Asmodi.

»Ich werde dir die Kampfplätze zeigen«, bot Olivaro an.

»Ich bitte darum.«

Olivaro führte die magische Sonde in verschiedene Kavernen, in denen es aussah, als habe ein Tornado getobt. Abgebrochene Stalaktiten und Stalagmiten lagen kreuz und quer auf dem Boden, dazwischen Reste von allen möglichen Knochen. »Diese Knochen waren die Wirte Legions, die ich zerstört habe«, erläuterte Olivaro. »Du siehst, Fürst, dass dies keine Kleinigkeit war, denn diese Wirte wehrten sich heftig und entfalteten eine starke Magie. Am Ende war ich es aber, der siegreich blieb. Ich habe nicht nur Legion mit einem Treueschwur an dich gebunden, sondern ihn gleichzeitig noch so geschwächt, dass er dir künftig nicht mehr gefährlich werden kann.«

»Legion wäre mir niemals gefährlich geworden, unter keinen Umständen!«, behauptete Asmodi. »Aber das sind alles keine Beweise, Olivaro. Wenn du nicht mehr zu bieten hast, wirst du die Höhle niemals wieder verlassen.«

Der Januskopf nickte. »Nun gut. Als letzten und stärksten Beweis will ich dir die Bilder meines Kampfes mit einem Wirt Legions präsentieren. Und meine Verhandlungen mit dem Hauptbewusstsein. Beides habe ich im Eidesstab gespeichert, um diesen triumphalen Erfolg für die Nachwelt zu bewahren.«

Über dem Eidesstab begann es zu flimmern. Die magische Präsentation ähnelte stark der über dem Blutaltar. Eine Kaverne mit mächtigen, im Kreis angeordneten Stalagmiten erschien. Sie waren angebohrt, Knochen hingen wie Windspiele an Schnüren an ihnen herunter. In der Mitte stand ein gewaltiger Stalagmit, der ein menschliches Skelett aufspießte. Olivaro betrat die Höhle und lieferte dem Skelett, dessen Augen plötzlich rot glühten und Blitze verschleuderten, mit dem Eidesstab einen gewaltigen Kampf, in dessen Verlauf die komplette Höhle zerstört wurde.

»Genug!«, brüllte Asmodi erneut. »Diese Bilder sind Lug und Trug, Olivaro. Glaubst du etwa, ich bemerke nicht, dass sie direkt aus deinen Gedanken stammen? Du hast gerade deine Gedankenbilder lebendig werden lassen, mehr nicht. Das ist ein schlagender Beweis für deinen Betrug.« Der Fürst der Finsternis lachte laut. »Du hast versagt, Olivaro. Deswegen wirst du auf alle Zeiten in dieser Höhle gefangen bleiben.«

Der Januskopf starrte ihn mit unbewegtem Gesicht an. Archer wusste im Moment nicht, was er von alledem halten sollte.

»Ach, übrigens, was ich dich noch fragen wollte, Olivaro: Was ist eigentlich mit Salamanda und dem Dämonenkiller passiert?«

»Von Hunter weiß ich nichts. Aber Salamanda und ihren Eidesstab habe ich mit meinem ebenfalls besiegt. Ich bin also rechtmäßiger neuer Schiedsrichter der Schwarzen Familie«, erwiderte Olivaro mit fester Stimme. Unter den Dämonen erhob sich Gemurmel. Einige wurden sichtlich unruhig.

Archer begriff. Der Januskopf hoffte darauf, eine starke Anhängerschaft unter den Dämonen zu haben, die er mit seinem Beharren aktivieren konnte. Möglicherweise gab Asmodi ja nach, wenn Olivaros Fanclub nur groß und mächtig genug war und sich lautstark bemerkbar machte. Salamanda zumindest hatte viel Kredit innerhalb der Schwarzen Familie verspielt.

Immerhin taucht sie nicht auf, dachte Archer. Und Legion lässt Olivaro ebenfalls gewähren. Das spricht dafür, dass Olivaro doch die Wahrheit sagt. Aber was ist mit Dorian?

Diese bange Frage wurde Archer umgehend beantwortet. Aus dem Hintergrund der Höhle löste sich eine Gestalt und trat hinter Olivaro, der das zunächst nicht bemerkte.

Dorian! Archer war aufgeregt, erleichtert und voller Freude zugleich. Aber warum trug der Dämonenkiller Salamandas Eidesstab? Der tötete normalerweise jeden, der ihn unberechtigt anfasste.

Dorian hob den Eidesstab. »Olivaro lügt!«, rief er, während der Januskopf erschrocken herumfuhr. »Ich habe zunächst Salamanda getötet und dann mit ihrem Eidesstab Legion besiegt. Denn der Eidesstab hat nach ihrem allzu frühen, aber wenig bedauerlichen Tod mich gewählt. Ich bin also der rechtmäßige Schiedsrichter der Schwarzen Familie.«

Archer erschrak gehörig. Nicht mal so sehr wegen Dorians Worten. Sondern wegen dieses grausamen, nachgerade dämonischen Ausdrucks, der plötzlich Dorians Gesicht prägte. So hatte Archer den Dämonenkiller noch nie zuvor gesehen. Etwas stimmte nicht mit ihm. Was hatte der Eidesstab mit ihm angestellt?

Unter den Dämonen kam es zum Aufruhr. Sie schrien und brüllten alle durcheinander. Einige gingen sich dabei sogar an die Gurgel. Erst als Asmodi beide Arme in die Luft hob, beruhigten sie sich wieder. Erneut durchschnitt sein höhnisches Lachen die Nacht.

»Du glaubst ja wohl selber nicht, dass ich dich zum Schiedsrichter der Schwarzen Familie mache, Hunter«, rief er süffisant. »Nicht in einer Ewigkeit. Was hier gerade stattfindet, ist wirklich ein Witz. Und es bestätigt mir, was ich nach den zahlreichen Katastrophen um das Schiedsrichteramt in letzter Zeit gedacht habe: Der Eidesstab ist völlig ungeeignet, um einen fähigen Schiedsrichter zu wählen. Coco Zamis hat versagt. Salamanda Setis ebenfalls. Sie wurden beide vom Eidesstab erwählt. Und nun präsentiert er uns ausgerechnet den größten Feind der Schwarzen Familie als Schiedsrichter. Das ist unglaublich, zumal Hunter keiner der Kandidaten war. Schon deswegen wäre er disqualifiziert. Deswegen verfüge ich nun, dass Olivaro und Hunter, zusammen mit den Eidesstäben, auf alle Zeiten in der Höhle verbleiben und dort sterben werden. Von nun an werde ich den Schiedsrichter wieder selber wählen. Ich habe da auch schon einen geeigneten Kandidaten im Auge.«

Ohne letzten Gruß ließ Asmodi die Verbindung in die Höhlen hinter dem Siegel abreißen und löste damit gelinde Panik bei Archer aus. Er musste umgehend das Dämonenkillerteam, vor allem Coco, informieren, um Dorian zu helfen. Aber noch hatte er keine Chance dazu.

Erneut ging ein Murmeln durch die Reihen der Dämonen. Ein weiteres Schwarzblut war vor Asmodi erschienen. Der Kerl war von mittelgroßer Statur und spindeldürr. Wirre schwarze Haare bedeckten den Kopf. An den schmalen Handgelenken saßen spinnenartige Finger, die sich in ständiger Bewegung befanden, gerade so, als führten sie ein Eigenleben. Graue, verrunzelte Haut überzog den kompletten Körper. Der ebenfalls graue Anzug, in dem er steckte, wirkte veraltet, der togaartige Umhang ließ ihn geradezu lächerlich erscheinen. Die Teufelsfratze mit den tief liegenden dunklen Augen und den buschigen Brauen verzog sich zu einem Grinsen. Hinter den dünnen Lippen schoben sich zwei blitzende Fangzähne hervor. Es wirkte arrogant und von oben herab.

Archer erkannte den Neuankömmling sofort. Es handelte sich um einen wirklich mächtigen Dämon.

»Zakum!«, rief Asmodi.

»Ich nehme die Wahl an«, erwiderte Zakum, ohne zuvor gefragt worden zu sein.

 

 

Kapitel 2

 

»Warum hast du das gemacht, Dorian?«, fragte Olivaro mit erhobener Stimme. Er war außer sich. »Wir sind doch Verbündete. Wenn Asmodi mir den Rückweg geöffnet hätte, hätte ich dich selbstverständlich mitgenommen.«

»Du lügst. So wie du schon Asmodi angelogen hast«, erwiderte der Dämonenkiller mit verächtlicher Miene. »Du hättest mich hier zurückgelassen und wärst alleine gegangen. Das wollte ich unbedingt verhindern.«

»Ein wirklich toller Plan«, fauchte Olivaro. »Nun sitzen wir beide hier fest. Was hast du nun davon?«

Der Dämonenkiller schwieg. Stattdessen fixierte er Olivaro, als sei dieser eine lästige Zecke. Der Januskopf fühlte sich plötzlich extrem unwohl. Zumal er in Hunters Gesicht einen Ausdruck erkannte, denn er noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Kalt, mitleidlos … dämonisch? Olivaro schauderte unwillkürlich und schielte unauffällig auf Hunters Eidesstab, der seinem weit überlegen war. Sofern Hunter den Totentanz aktivieren konnte. Aber warum sollte er das nicht können, wenn der Eidesstab ihn als neuen Besitzer akzeptierte?

Ich muss höllisch vorsichtig sein …

»Was hast du jetzt vor?«, fragte er.

»Nun, das ist ganz einfach, Januskopf. Ich werde zunächst mein neues Amt als Schiedsrichter der Schwarzen Familie antreten, aber nur, um aus dieser Position heraus Asmodi zu stürzen. Niemand wird mich auf meinem Weg an die Spitze der Schwarzen Familie aufhalten können. Ich bin geboren worden, um Fürst der Finsternis zu sein.«